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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Erschöpfung
zeugten. Sie verbreitete eine Niedergeschlagenheit um sich, die jeden Winkel
der kleinen Hütte auszufüllen schien. Libussa wünschte sich plötzlich weit weg
von diesem Ort. Nichts war, wie sie es sich erträumt hatte, denn es herrschte
keinerlei Vertrautheit zwischen ihr und dem Bauernjungen. Er und seine Familie
erschienen ihr fremd. Sie gehörte nicht zu ihnen.
    Premysl
erlöste sie von ihrem Unbehagen: „Wir
können nach draußen gehen, wenn du willst. Meine Mutter bereitet inzwischen das
Abendessen vor.“ Libussa folgte ihm erleichtert. Sie verließen das Dorf und
ließen sich am Waldrand auf einem gefällten Baumstamm nieder.
    „Woher hast du
das Pferd und die Kleidung eines Reiters?“, fragte Premysl, ohne Libussa
anzusehen.
    „Ich habe sie
mir ausgeliehen.“ Sie hasste es, zu lügen, und staunte, wie leicht es ihr
dennoch fiel. Premysl hatte einen Ast in die Hand genommen und stocherte damit
verlegen in der Erde herum. Libussa überlegte‚ ob sie wieder gehen sollte. Sie
spürte, dass er sich  ebenso unwohl fühlte wie sie. Im Wald, da waren sie
verzaubert gewesen, doch das hier war die Wirklichkeit. Aber sie konnte nicht
so einfach fortlaufen, ohne sich lächerlich zu machen. Zwar wusste er nicht
einmal, wer sie war, aber die Vorstellung, ihm als Närrin mit wechselnden
Launen in Erinnerung zu bleiben, missfiel ihr.
    „Warum hast du
das Kupala-Fest beim Stamm der Tschechen gefeiert? Die Lemuzi veranstalten ihr
eigenes Fest, wie man mir erzählt hat“, begann Libussa, um das quälende
Schweigen zu unterbrechen.
    „Ja, das tun
sie. Aber mir stand nicht der Sinn danach, die fürstliche Familie zu sehen.“
    Libussa lachte
auf, etwas zu laut, wie es ihr schien. „Was findest du so schlimm an der
Fürstin Olga? Sie ist eine sehr lebendige, lustige Frau.“ Kaum hatte sie die
Worte gesprochen, erschrak sie. Premysl würde sich wundern, warum sie eine
Fürstin so gut zu kennen schien. Aber er fragte nicht nach.
    „Gegen die alte
Fürstin hatte ich zunächst nichts. Ich habe vor einigen Jahren auf ihrer
Festung gedient, um als Krieger ausgebildet zu werden“, sagte er stattdessen.
„Sie stellte manchmal jungen Männern nach und konnte aufdringlich werden, aber
damit ließ es sich leben. Warum sollte eine ältere Frau sich anders verhalten
als viele Männer? Aber seit die zwei Söhne das Sagen haben, ist es in unserer
Gegend ungemütlich geworden.“
    Libussa
erinnerte sich an die Warnungen der Bauern und wurde hellhörig. Auf einmal
brauchte sie nicht mehr verzweifelt nach Fragen zu suchen, damit kein
peinliches Schweigen aufkam. „Vojtan und Neklan? Was haben sie getan, um dich
so gegen sie aufzubringen?“
    Er warf den Ast
von sich, als ziele er damit auf einen unsichtbaren Gegner. „Sie benehmen sich
wie diese Fürsten, von denen mir einmal ein fahrender Händler erzählt hat. Ein
Rad an seinem Wagen brach in der Nähe unseres Dorfes, und ich habe es für ihn
gerichtet. Er erzählte mir dann Geschichten über andere Länder, von fernen,
stets warmen Gegenden, wo die Fürsten von ihren Dienern verlangen, sich vor
ihnen auf die Erde zu werfen. Wer es wagt, den Fürsten anzusehen, dem wird der
Kopf abgeschlagen.“
    „Du willst mir
doch nicht etwa sagen, dass Vojtan und Neklan solche Dinge tun?“, holte sie ihn
in die Wirklichkeit zurück.
    „Nein, das
wagen sie nicht. Aber als mein älterer Bruder sie einmal daran hindern wollte,
eine Magd zu schlagen, da verprügelten sie ihn vor den Augen all ihrer Krieger,
die johlend zusahen. Niemand griff ein. Ich war damals noch ein halbes Kind,
doch als ich meinen Bruder mit gebrochenen Rippen sah, da ging ich zu der alten
Fürstin, um Anklage zu erheben. Sie meinte dazu nur, ihre Söhne hätten sich
richtig verhalten und mein Bruder wäre frech gewesen. Deshalb verließ ich
damals die Festung, um wieder als Bauer zu leben.“
    Libussa
fröstelte, obwohl die Sonne schien. Sie rief sich das breite, genusssüchtige
Gesicht der alten Fürstin in Erinnerung. Olga von den Lemuzi hatte immer ihren
eigenen Kopf gehabt, aber derart boshaft war sie in Chrasten nie gewesen. Doch
die Erinnerung an den Zwischenfall mit der Magd beunruhigte sie. Ein Mädchen zu
berühren, das keine Berührung wünschte, zu so etwas neigten junge Männer, die
noch nicht gelernt hatten, auf geschicktere Weise um weibliche Gunst zu werben.
Aber Neklan hatte die Magd gewürgt, nachdem sie ihn von sich stieß! Wäre nicht
der Stammesführer, sondern ein einfacher Mann

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