Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
verbarg.
Sie trieb ihr Pferd voran, denn ihre Entscheidung war gefallen.
    Lidomirs Leute
tauchten ganz plötzlich vor ihnen auf, so wie Räuber, die im Hinterhalt
lauerten: eine Schar von Kriegern in kräftig gefärbten Tunikas, an deren Spitze
ein Hunne ritt. Radegund stieß einen Schrei aus und wollte ihr Pferd
herumreißen, doch Lidomir hielt ihre Zügel fest. „Es ist schon gut. Ich glaube,
das ist mein Bruder.“
    Dann richtete
er seinen Blick auf die Gestalt des schrägäugigen Mannes, unsicher und doch
hoffnungsvoll.
    „Mnata?“, rief
er zögernd. Das schwarze Pferd des Hunnen schoss sogleich herbei.
    „Willkommen zu
Hause, Lidomir“, sagte der fremde Mann in jener Sprache, die Radegund in den
letzten Wochen eifrig gelernt hatte, und streckte seine Arme aus. Radegund sah
verwirrt, wie die schräg gestellten Augen feucht wurden, was den unheimlichen
Fremdling etwas menschlicher wirken ließ. Lidomir hatte ihr erzählt, dass seine
Mutter ein Sklavenkind als Sohn angenommen hatte, da sie lange keinen eigenen
Nachwuchs bekam. Doch das Aussehen seines Bruders hatte er verschwiegen.
Radegund fiel es schwer, sich an dieses Gesicht zu gewöhnen, denn sie hatte
viele schreckliche Geschichten über die Grausamkeit der Hunnen und Awaren
gehört. Plötzlich wünschte sie sich, wieder allein mit Lidomir zu sein.
    „Wer ist diese
Frau?“, fragte der Mann namens Mnata nun.
    „Sie ist meine
Gemahlin. Radegund, die Tochter eines fränkischen Edelings.“
    Das Hunnengesicht musterte sie
staunend, als sei sie die befremdliche Erscheinung hier. In seinen dunklen
Augen erkannte sie Zögern und Misstrauen, doch er begrüßte sie mit einem
höflichen Kopfnicken. „Sei willkommen in unserer Heimat.“
    Dann ritten sie
weiter. Radegunds Rücken schmerzte bereits seit vielen Tagen, und sie fragte
sich, ob man ihr als Gattin des zukünftigen Fürsten nicht eine Sänfte zur
Verfügung stellen konnte, doch niemand kam auf die Idee. Allmählich tauchten
die ersten Dörfer vor ihnen auf. Die Einwohner, Bauern in schlichter,
schmutziger Kleidung wie auch im Frankenreich, begrüßten Lidomir mit Kränzen
aus geflochtenen Blumen. Sie selbst betrachtete man nur mit großen, fragenden
Augen. Dass Lidomir sie als seine Gemahlin vorstellte, schien nur auf Staunen
zu stoßen. Sie schämte sich für ihr dunkles Gewand aus grobem Leinen, doch ihr
Mann hatte sie überzeugt, sich für die beschwerliche Reise warm und auch
unauffällig zu kleiden, denn eine Frau in prächtigen Roben würde nur unnötig
die Aufmerksamkeit von Räubern wecken. Wenigstens hatte sie das blaue Kleid mit
der Goldstickerei im Gepäck. Sie freute sich schon darauf, sich sofort
umzuziehen, sobald sie den Wohnsitz von Lidomirs Familie erreicht hatten:
Praha. Der Handelsort, wo hoffentlich ein wenig Annehmlichkeit auf sie wartete.
Mit jedem Schritt, den ihr Pferd tat, wuchs ihre Sehnsucht nach geschlossenen
Räumen, Feuerstellen und einem weichen Lager für die Nacht.
    Als erstes sah
sie den Fluss, der sich blau und breit durch die Wälder schlängelte. Reihen
hölzerner Palisaden erschienen vor ihren Augen, ein steinerner Schutzwall und
Wachtürme. Aus den umliegenden Dörfern waren Menschen herbeigeeilt, die wieder
Blumen und mit Schleifen geschmückte Äste trugen. Gesänge erschollen, und ein
uralter Mann in einem roten Gewand kam auf sie zu, gefolgt von jüngeren
Begleitern, die ähnlich gekleidet waren. Selbst ihre Gesichter hatten sie bunt
bemalt, was Radegund abstieß. Heiden. Barbaren.
    „Den Göttern
sei gedankt, dass du noch lebst, Bohumil“, hörte sie Lidomirs Stimme neben
sich. Er war vom Pferd gesprungen und wurde wieder umarmt, diesmal von dem
Greis. Sie rutschte in ihrem Sattel herum, verzweifelt bemüht, eine weniger
schmerzhafte Sitzhaltung zu finden. Bald schon würde diese schreckliche Reise
vorbei sein. Nicht einmal Satan selbst mit Hilfe aller heidnischen Dämonen
würde sie in den nächsten Monaten dazu bringen können, wieder in einen Sattel
zu steigen. Diese Überlegungen trösteten sie darüber hinweg, dass sie wieder
einmal nicht begrüßt, sondern nur seltsam beäugt wurde.
    Sie zogen zur
Festung hinauf, wo sich sogleich das Tor öffnete. Trotz ihrer Erschöpfung
spürte Radegund das Hämmern ihres Herzens, denn nun betrat sie ihr zukünftiges
Zuhause. Wieder Hütten, Vieh und Menschen. Es sah nicht wirklich anders aus als
in Regensburg, nur dass hier steinerne Bauten fehlten. Erleichtert atmete sie
auf, denn alle Schauergeschichten über

Weitere Kostenlose Bücher