Die Träume der Libussa (German Edition)
Verhalten mir missfällt.“
Sie legte
entschlossen ihre Hände auf den Tisch. Die Angelegenheit hatte sich erledigt.
„Fürstin
Libussa!“, Mnatas Stimme war leise, aber beharrlich. „sollte Krok nicht auch
seine Zustimmung geben?“
Sie musterte
den jungen Mann fassungslos. Noch nie zuvor hatte er ihr Recht, Entscheidungen
allein zu treffen, in Frage gestellt.
„Dies betrifft
nur meine Festung Praha", erklärte sie mit Nachdruck. „Krok lebt die meiste
Zeit in Chrasten. Außerdem ist die Angelegenheit viel zu unwichtig, um ihn
damit zu behelligen. Und jetzt lasst uns endlich von etwas anderem reden.“
Die kurze
Nachricht musste auf Baumrinde geritzt werden, da Lidomir nur sein
Lieblingsbuch, die Schriften Senecas, mitgenommen hatte. Niemand in Praha
verfügte über die notwendigen Kenntnisse, um Pergament und Tinte herzustellen.
Radegund wurde erneut bewusst, dass sie sich hier völlig abseits der
zivilisierten Welt befand. Ein Knecht Libussas trat die Reise nach Regensburg
an, wo Vater Anselm vermutlich noch beim Bischof weilte.
Danach hielt
Radegund sich hauptsächlich in ihrer Kammer auf. Scharka fragte sie mehrmals,
was ihr an dem Fest denn missfallen hätte. Der erstaunte, besorgte
Gesichtsausdruck von Lidomirs Schwester beruhigte sie, denn er bestätigte, dass
Vlasta tatsächlich geschwiegen hatte. Das überraschte Radegund. Gewöhnlich
verbreiteten sich derartige Gerüchte gerade unter Frauen wie ein Lauffeuer.
Vlasta hatte wohl den Ehrbegriff der Krieger verinnerlicht.
Es fiel ihr
schwer, Scharkas hartnäckige Fragen zu beantworten. „Mnata und du, ihr liebt
euch wenigstens. Doch viele der anderen Paare bei diesem Tanz wurden von ihrer
Fleischeslust getrieben", erklärte sie schließlich.
„Aber ich
verstehe nicht, was daran schlecht sein soll? Meine Eltern lernten sich bei
solch einem Fest kennen. Danach blieben sie einander treu so wie Mnata und ich
es uns wünschen. Doch andere Menschen bevorzugen die Abwechslung. Es ist die
Fruchtbarkeit, der wir alle unser Leben verdanken. Der Leib der Erde stirbt im
Winter, doch mit dem Frühling erblüht er erneut.“
Radegund
weigerte sich, über diese Worte nachzudenken. Die Denkweise der Heiden hatte
bereits genug Unglück über sie gebracht.
„Wenn die
Mönche eintreffen, werden sie dir alles erklären", meinte sie nur.
Scharkas Augen
weiteten sich. „Warum brauchst du fremde Männer dazu? Ich dachte, wir wären
Freundinnen. Rede selbst mit mir.“
Aber das wollte
Radegund nicht. Sie ging auch nicht mehr in die Nähstube, wo Scharka und ihre
Gefährtinnen zusammensaßen. Die Einsamkeit war quälend, denn Schuldgefühle
plagten sie ohne Unterlass. Sie sehnte sich nach dem Eintreffen der Missionare,
ohne genau zu wissen, was sie eigentlich von ihnen erwartete.
Manchmal, wenn
sie trotzdem hinausging, um sich durch Spaziergänge im Hof abzulenken, sah sie
den Mnata. Nach Kroks Abreise leitete er die Kampfübungen, an denen Lidomir
weiterhin teilnahm. Vlasta war in die Festung ihrer Mutter zurückgekehrt, was
Radegund über die Maßen erleichterte. Sie fürchtete nichts mehr als ein
Wiedersehen mit der Kriegerin. Es gab Augenblicke, da sie Sehnsucht nach der
Zeit vor dem verfluchten Frühlingsfest überkam. Ihr vertrautes Geplauder mit
Scharka, ja sogar die zunehmend freundliche Vlasta, all das gehörte zu einer
Welt, vor der sie für immer getrennt schien, nun, da sie die Fäulnis erkannt
hatte, die sich hinter scheinbar harmloser Freizügigkeit verbarg.
Aber war diese
Fäulnis nicht vor allem in ihr selbst?
Sie flüchtete
vor diesem Gedanken. Die Missionare würden ihr den rechten Weg zeigen.
Jedes Mal, wenn
sie Mnata erblickte, waren seine Blicke abweisend. Sie hatte Lust, ihm ins
Gesicht zu schreien, dass er sein Zusammensein mit Scharka unter anderem auch
den Ratschlägen der verhassten Fränkin zu verdanken hatte.
Zu diesem
Gedanken gesellte sich ein anderer, weitaus unangenehmerer. Vlasta und Mnata
standen sich nahe, wie Scharka ihr erzählt hatte. Eine Freundschaft von
Kindesbeinen an, geprägt von gemeinsamen Kampfübungen und der verheerenden
Schlacht bei Verden. Hatte Vlasta ihrem Kriegsgefährten ihr Geheimnis
anvertraut, vielleicht, um Rat zu suchen? Falls dies stimmte, so schwieg auch
Mnata aus Ehrgefühl. Doch sein Blick war ein vernichtendes Urteil, das Radegund
wie ein Schlag in die Magengrube traf.
Sie hoffte, es
würde alles gut werden, wenn die Mönche kamen. Sie konnten ihr helfen, sich im
Leben weiter zurecht zu
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