Die Träume der Libussa (German Edition)
Mutter entscheiden.“
Er kann nichts
allein entscheiden, dachte Radegund bitter, als sie die Augen schloss. Sie
ahnte, dass sie sich in dieser Nacht vergeblich nach Schlaf sehnen würde.
„Christliche Missionare?“,
Libussa starrte ihren Sohn ungläubig an und dankte den Göttern, dass Krok sich
nun wieder in Chrasten aufhielt.
„Mutter, nur ein oder zwei
Mönche. Es sind doch schon einige Missionare hier gewesen. Sie waren völlig
harmlose, nette Männer, die keine Gewalt anwendeten, wenn niemand auf sie
hörte.“ Lidomir sah unglücklich aus, so wie damals, als er sie mitten in der
Nacht wegen Hedwigs Benehmen geweckt hatte.
„Die
Harmlosigkeit der Christen habe ich in Verden mitbekommen", erklang
Premysls Stimme spöttisch an ihrer Seite.
„Vater, ich
sagte doch bereits, dass nicht alle Christen schlechte Menschen sind."
Libussa ahnte
schon seit Längerem, dass die christliche Erziehung im Herzen ihres Sohnes mehr
Spuren hinterlassen haben musste, als er zugab. „Warum willst du diese
Missionare, Lidomir?“, fragte sie ruhig. Ihr Sohn senkte betreten den Blick. Er
zögerte mit seiner Antwort.
„Es ... es ist
wegen Radegund. Ihr hat das Fest nicht gefallen. Sie meint, einige Leute sollten
hier etwas von christlicher Moral erzählen. Außerdem will sie jemanden, der …
der mit ihr betet.“
„Nicht
gefallen?“, mischte sich nun Scharka staunend ins Gespräch. „Ich hatte den
Eindruck, sie hat sich sehr gut unterhalten. Sie tanzte doch freiwillig mit
uns.“
„Aber dann, als
… als es zu ausgelassen wurde, da lief sie fort. Niemand von euch hat sie
danach gesehen. Nur ich. Sie war völlig aufgelöst", widersprach Lidomir.
Scharka blickte weiterhin ungläubig drein, doch sie schwieg.
„Wenn ihr
unsere Feste nicht gefallen, dann soll sie in Zukunft in ihrer Kammer
bleiben", sagte Premysl. „Willst du, dass wir unsere Sitten wegen der
Launen deiner nörgelnden Fränkin ändern?“
„Vater“,
seufzte Lidomir, „Es geht doch nur um ein paar Mönche. Radegund erwartet nicht,
dass ihr alle von heute auf morgen Christen werdet.“
„Wie großzügig
von ihr", knurrte Premysl und nahm einen Schluck aus seinem Krug.
Er mochte das
Mädchen nicht. Auch Mnata dachte nicht gut von der Fränkin. Aber wie verloren
musste sich eine junge Frau ohne ihre Familie in der Fremde fühlen!. Es war
doch nur verständlich, dass sie sich nach Menschen aus ihrer Heimat sehnte.
Lidomir schien das Wohlbefinden seiner Gefährtin am Herzen zu liegen, was nur
davon zeugte, dass er ein liebenswerter, verantwortungsbewusster Junge war.
Sollte sie sich seinem Wunsch wirklich in den Weg stellen? Was konnten ein paar
Kuttenträger mehr oder weniger schon ausrichten, wenn ihnen nicht das Heer des
Frankenkönigs folgte?
Dann kam ihr
plötzlich ein ganz anderer Gedanke.
„Was ist mit
dieser Schwester, die sie einmal erwähnte? Premysl, du sagtest doch selbst, sie
könnte uns hier ihr Wissen vermitteln. Und Radegund beschrieb das Mädchen als
sehr fromm. Wir könnten ihr vorschlagen, diese Schwester nach Praha zu holen.“
Einen
Augenblick lang war sie stolz, eine so geschickte Lösung gefunden zu haben. Die
Jahre des Rechtsprechens waren nicht spurlos an ihr vorübergegangen.
„Mutter, das
Missionieren ist bei den Christen nicht die Aufgabe von Frauen", erwiderte
Lidomir zu ihrer Enttäuschung. „Radegunds Schwester ist eine Nonne, die in
ihrem Kloster bleiben will. Nur die Mönche brechen manchmal in unbekannte
Gegenden auf, um den christlichen Glauben zu verbreiten. Für Frauen wäre das zu
gefährlich.“
„Nun höre dir
doch einmal selbst zu, Junge!“, fuhr Premysl erneut dazwischen. „Zu gefährlich
für Frauen soll es bei uns sein? Hältst du uns für Schänder oder
Menschenfresser?“
„Premysl,
Lidomir erklärte nur, wie Christen diese Dinge sehen.“
Libussa überkam
Müdigkeit. Wie unschön sich dieser Tag entwickelte, obwohl sie zunächst so froh
gewesen war über Scharkas glücklich strahlendes Gesicht!
„Warum“, begann
Lidomir nun ebenfalls in erschöpftem Ton. „Ist es denn so wichtig, ob eine Frau
hierher kommt oder einige Männer? Es sind alles Christen.“
Libussa
seufzte. Ihr hatte die Art gefallen, wie Radegund ihre Schwester beschrieb, und
sie hätte das Mädchen gern kennen gelernt.
„Nun gut,
Lidomir", meinte sie schließlich. „Sage deiner Gefährtin, dass eine
Nachricht nach Regensburg geschickt werden kann. Doch warne die Mönche, dass
sie wieder fort müssen, sobald ihr
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