Die Träume der Libussa (German Edition)
Sicher würde er sie für alle Scherereien mit den beiden
Mönchen verantwortlich machen. Warum führte nur jeder Weg, den sie einschlug,
an einen Abgrund?
„Ich werde
nicht die Nachfolge antreten", entgegnete ihr Gemahl in entschiedenem Ton.
„Dies entspricht nicht den Sitten meines Volkes.“
Dann begann er
zu erklären. Gundolf verlor etwas von seiner Entschlossenheit, denn was er
hörte, konnte er wohl nur langsam begreifen. Frederik spülte das Essen mit Met
herunter. Die eigenartigen Sitten der Behaimen trübten offenbar seine Freude
über einen vollen Magen in keinster Weise.
„Wenn mein
Großonkel Krok also stirbt“, beendete Lidomir seine Ausführungen. „wird meine
Mutter Libussa aus unserer Familie einen neuen Stammesführer ernennen. Die
Oberhäupter der Stämme müssen ihn allerdings anerkennen. Schon aus diesem Grund
wird ihre Wahl vermutlich nicht auf mich fallen, eben weil ich im Frankenreich
als Christ erzogen wurde. Ich bin meinen Leuten fremd geworden. Außerdem
verstehe ich zu wenig von der Kriegsführung. Sollte es dennoch der Wunsch
meiner Mutter und meines Volkes sein, dass ich Stammesführer werde, so muss ich
diese Verantwortung natürlich annehmen, doch ich sehne mich nicht danach. Mein
einziger Wunsch ist es, hier in Frieden zu leben“
Er hatte mit
ungewohnter Entschlossenheit gesprochen. Radegund innere Anspannung wuchs ins
Unerträgliche. Gundolfs finstere Miene machte ihr Angst, und sie wünschte sich
plötzlich, dieser Mönch wäre im Regensburger Kloster geblieben.
„Ich kann nicht
glauben, was ich da höre", begann er auch schon. „Bei aller Verderbtheit
der heidnischen Völker scheint mir diese Sitte der Weiberherrschaft das
Ungeheuerlichste, was mir je zu Ohren kam. Willst du mir sagen, Lidomir, dass
du mit dieser Verkehrung der gottgewollten Ordnung einverstanden bist?“
„Ich bin
einverstanden mit einer uralten Tradition, die niemals Schaden über mein Volk
gebracht hat", erwiderte Lidomir ruhig. „Meine Mutter ist weise und gütig,
Eigenschaften, die so manchem männlichen Herrscher fehlen. Ihr wurdet hierher
geladen, um die Botschaft Jesu Christi zu predigen. Sagte der Gottessohn, man
solle die Bräuche anderer Völker beleidigen und die eigene Überzeugung
gewaltsam durchsetzen? Diese Stelle der Heiligen Schrift muss ich überlesen
haben.“
„Mir scheint,
du hast so einiges überlesen, Lidomir. Hast du vergessen, was der Apostel
Paulus sagte? Frauen sollten in der Kirche schweigen.“
„Aber hier gibt
es noch keine Kirchen, in denen sie schweigen müssten. Überzeuge meine Leute
von deinem Denken, Gundolf, und meine Mutter wird sich ihren Wünschen nicht
widersetzen. Doch zunächst musst du auf friedliche Weise die Mehrheit der Behaimen
zum Christentum bekehren. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“
Radegund
staunte über Lidomirs Geschick, sich aus einer heiklen Lage zu befreien. Waren
seine Studien der Philosophie doch nicht völlig nutzlos gewesen? Er hatte
Gundolf nun eine Bedingung gestellt, die kaum zu erfüllen war. In der kurzen
Zeit, die sie hier verbracht hatte, war ihr klar geworden, dass eine
Veränderung der herrschenden Zustände nur sehr langsam vor sich gehen konnte.
Eine endgültige Bekehrung der Behaimen würden weder Gundolf noch sie selbst
erleben.
„Er hat
Recht", ertönte plötzlich Frederiks junge Stimme voller Begeisterung. „Wir
müssen zu den einfachen Leuten sprechen, so wie die Jünger Jesu. Ihnen die
Botschaft des Heils überbringen. Es ist doch völlig unwichtig, wer hier herrscht.
Trotz all seiner grausamen Christenverfolgungen wurde auch das Römische Reich
schließlich bekehrt.“
Seine Wangen
hatten Farbe bekommen, was teils am verzehrten Schweinebraten, teils aber
sicher auch an seinem missionarischen Eifer lag.
Weitaus mehr
als der finstere Gundolf entsprach dieser junge Mann Radegunds Träumen von
einem Missionar, der ihr Seelenheil retten konnte. Doch der große Mönch warf
seinem Gefolgsmann nur einen verächtlichen Blick zu.
Lidomir war
aufgestanden. „Ich habe dir weiter nichts mehr zu sagen, Gundolf. Mein Rat an
dich wäre, auf den jungen Frederik zu hören.“
Dann ging er
hinaus und Radegund folgte ihm mit einer bösen Vorahnung.
„Glaub mir, bitte, ich konnte mir
nicht vorstellen, dass der Mönch so reden würde.“
Als Lidomir ihr
besänftigend über die Wange strich, hätte sie vor Erleichterung am liebsten
geweint.
„Wir schicken
ihn wieder nach Regensburg zurück. Meine Mutter hat genug
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