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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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ich werde sie rufen, wenn es zu
Ende geht. Doch vorher wollte ich mit dir reden, Libussa.“
    Sie wischte sich
die Tränen von ihren Wangen und bemühte sich, die Fassung zu wahren. Krok
wollte kein Klageweib an seinem Lager.
    „Ich habe dir
lange nicht zugetraut, eine gute Fürstin zu sein, doch darin habe ich mich
getäuscht. Du hast ein weiches Herz, aber das macht dich weder schwach noch
dumm. Damals, als Dragoweill kam, ich hörte nicht auf dich, aber ...“
    „Das ist nicht
mehr wichtig, Onkel", unterbrach sie, denn sie wusste, wie schwer ihm das
Sprechen fiel.
    Kroks Finger
griffen nach ihrem Handgelenk. Sie erschrak, wie schwach er zufasste. Früher
hätte er ihr mühelos die Knochen brechen können. „Libussa, du musst bald meinen
Nachfolger ernennen. In dieser Welt werden Männer immer wichtiger. Als Frau
wirst du von den Herrschern anderen Völkern weniger ernst genommen. Du braucht
einen Stammesführer, der dich unterstützt und gleichzeitig verteidigen kann.“
    Sie nickte. Nur
mit der Hilfe von Krok und auch von Premysl hatte sie ihr Amt so ausüben
können, wie sie es für richtig hielt. Sie war sich jedoch sicher, dass eine
Frau auch in einer Männerwelt herrschen konnte. Aber dann musste sie hart
auftreten und die Kriegskunst beherrschen, um sich Respekt zu verschaffen. Auf
einmal dachte sie an Vlasta, doch dies war nicht der Augenblick für derartige
Überlegungen.
    „Mnata“, keuchte
ihr Onkel. „Er ist der einzig Richtige. Ich weiß, dass es deine Idee war, ihn
in den Stamm aufzunehmen. Damals war ich dagegen. Ich habe deine Klugheit
unterschätzt. Der Junge ist dankbar und würde sein Leben für dich geben. Wir
haben keinen besseren Krieger als ihn.“
    Libussa wollte
nicht entgegen, dass sie damals den verlorenen Jungen aus anderen Gründen
angenommen hatte.
    „Ich dachte auch
immer an Mnata als deinen Nachfolger", meinte sie stattdessen. „Doch
Lidomir ist mein leiblicher Sohn. Mnata ist jetzt der Gefährte meiner Tochter.“
    „Scharka wird
deine Nachfolgerin sein. Mnatas Liebe dient ihrem Schutz.“
    „Lidomir könnte
sich übergangen fühlen", wandte sie trotzdem zögernd ein.
    „Damit muss er
leben. Er hat sich taufen lassen und eine Christin hierher gebracht. Als
Stammesführer ist er dadurch untauglich geworden.“
    Libussa nickte,
obwohl ihr Zweifel kamen. Einst hatte sie von Lidomir das Versprechen
eingefordert, dem alten Glauben in der Fremde treu zu bleiben. Doch konnte man
es einem Heranwachsenden zum Vorwurf machen, dass er sich den Erwartungen
seiner Umwelt entsprechend verhielt? Vielleicht war der Kampf für die alten
Sitten ein Kampf gegen die Zeit.
    Sie verdrängte
diese Gedanken, da sie unangebracht waren. Kroks geradlinige, unerschütterliche
Sichtweise der Welt hatte ihn manchmal barsch auftreten lassen, doch sie wusste
stets, dass sie beide auf derselben Seite standen.
    „Ich werde deinen
Rat befolgen, Onkel", versprach sie. „Lass mich nun die wichtigsten
Mitglieder unseres Clans hier versammeln. Bei dieser Gelegenheit kann ich auch
Mnata zu deinem Nachfolger ernennen. Hoffen wir, dass noch viel Zeit vergeht,
bis er diese Nachfolge tatsächlich antritt.“
    Sie zwang sich,
ermutigend zu lächeln, doch die ausgezehrte Gestalt vor ihr auf der Bettstatt
strafte diese hoffnungsvollen Worte Lügen.
    „Deine Mutter“,
flüsterte Krok, „war ein so wildes, ungestümes Mädchen. Einmal kletterte sie
selbst auf die Mauer von Chrasten, um mich aus der Ferne zu begrüßen."
    „Meine Mutter
wird sicher froh sein, wenn sie dich eines Tages wiedersieht", sagte
Libussa und schämte sich, nur durch solche abgedroschenen Worte Trost spenden
zu können. Krok schien ihr nicht wirklich zugehört zu haben. Seine Augenlider
waren halb geschlossen, während er immer tiefer in seinen Erinnerungen versank.
    „Als junger Mann,
da kannte ich ein Mädchen, eine Keltin namens Ainslinn. Ich hätte gern mein
Leben mit ihr geteilt, doch die Umstände machten es unmöglich.“
    Er holte mühsam
Luft, und ein Hustenanfall schüttelte den mageren Körper. Danach bemerkte
Libussa mit Entsetzen das Muster aus frischen Blutflecken auf seinem Laken.
    „Ainslinn ist vor
über einem Jahr gestorben. Ich erfuhr das nur durch Zufall, als ich ihre Leute
vor dem Durchzug des Frankenheeres warnte. Meinst du, sie wird noch wissen, wer
ich bin?“
    Sein Blick war
trüb geworden.
    „Einen Mann wie
dich vergisst eine Frau nicht, Onkel.“
    Wieder klangen
die Worte billig in ihren Ohren. Sie war fast

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