Die Träume der Libussa (German Edition)
heidnischen Sitten verführten dich, und deshalb bist du frei von
Schuld. Du folgtest nur der verdorbenen, triebhaften Natur des Weibes. Es ist
deine Pflicht, mir bei der Ausrottung all diesen Übels zu helfen, damit endlich
die Gesetze unseres Herrn hier Einzug halten können", kam es triumphierend
von Gundolf.
Radegund
richtete sich verwirrt auf.
„Ich habe
gebeichtet. Jetzt werde ich gehen.“
Schnell eilte
sie wieder zur Tür. Gundolf hatte seinen Zweck erfüllt, indem er sie von Schuld
freisprach. Alles Weitere kümmerte sie nicht.
„Ich sagte, ich
brauche deine Hilfe, Tochter Clothards!“, donnerte die Stimme des Mönchs.
„Und ich sagte,
dass ich dir nicht helfen kann.“
Sie war im
Begriff, ins Freie zu treten.
„Lass mich
entscheiden, wozu du fähig bist. Vielleicht unterschätzt du deine Möglichkeiten.“
„Das glaube ich
nicht.“ Erleichtert atmete sie die frische Abendluft ein.
„Willst du,
dass dein Gemahl erfährt, was du mir erzählt hast?“
Sie wandte sich
fassungslos um.
„Das
Beichtgeheimnis", murmelte sie.
„Wir saßen
nicht im Beichtstuhl. Ich habe keine Absolution erteilt. Zudem verfolge ich
einen höheren Zweck. Ich diene Gott und muss deshalb manche Regeln brechen.“
„In Wahrheit
dienst du nur dir selbst. Du möchtest Bischof werden", fauchte Radegund
zornig. Er lächelte.
„Ich diene auch
dir. Du willst Fürstin werden, auch wenn du es nicht zugibst.“
Ihre Beine
entwickelten einen eigenen Willen und bewegten sich wieder zum Schemel.
„Ich kann nicht
Fürstin werden ohne einen Gemahl, der selbst Fürst sein möchte", flüsterte
sie.
„Überlass das
mir. Ich habe nur eine Frage an dich, nichts weiter. Du lebst schon eine ganze
Weile unter diesen Leuten. Als ich mit Frederik loszog, war ich mir sicher,
dass es Männer geben muss, denen diese Sitte der Weiberherrschaft missfällt.
Doch wir trafen sie nicht. Diese tumben Bauern schienen mit ihrem Los
zufrieden. Aber du hast die Söhne der heidnischen Huren, die sich als
Fürstinnen bezeichnen, getroffen. Nenne mir Namen, Radegund. Wo kann ich
mögliche Aufwiegler finden?“
Sie strich mit
den Handflächen über ihre Knie. Es klang so einfach. Warum sollte sie ihm nicht
verraten, was er selbst mit der Zeit herausfinden würde?
„Dieser Mann,
der ... der mich verführte, Slavonik von den Kroaten. Er hasst die Fürstin
Libussa. Außerdem gibt es einen jungen Schamanen, der sehr unzufrieden wirkt.
Vojen, Sohn der Heilerin Kazi. Gelegentlich wurde auch ein Neklan, Fürst der
Lemuzi erwähnt. Er soll sich früher einmal missliebig verhalten haben. Doch all
diese Männer scheinen mir überzeugte Heiden.“
Gundolf ließ
sie gehen. Die kühle Abendluft war wohltuend, als sie über den mittlerweile
verlassenen Hof zu dem großen Gebäude schritt. Sie fragte sich, wer ihm von der
Geschichte mit Slavonik erzählt haben konnte. Mit Vojen war er noch nicht
zusammengetroffen. Vielleicht war Gundolfs Frage nur ein blind abgeschossener
Pfeil gewesen, der unerwartet ein hervorragendes Ziel getroffen hatte. Die
Schlauheit dieses Mannes weckte eine Mischung aus Achtung und Angst in ihr.
Mnata erwachte mit den ersten
Sonnenstrahlen, die in Scharkas Kammer drangen. Erleichtert nahm er die
vertrauten Holzwände um sich herum wahr, den Wasserkrug neben der Bettstatt und
das gestreifte Leinentuch, mit dem er zugedeckt war. In seinen Träumen suchten
ihn allzu oft Erinnerungen heim. Dann irrte er wieder mit brennenden Fußsohlen
durch riesige Wälder, die ihn verschlangen und nicht mehr freigeben wollten.
Bald darauf schleppte er sich erschöpft mit anderen Elendsgestalten in der
Sklavenkolonne dahin und verfluchte seinen Überlebenswillen, wenn das
Dasein doch nur aus Erschöpfung und Schmerz bestand. Und aus der steten kalten
Angst vor dem bevorstehenden Tod.
Doch sobald er
erwachte, war er von aller Qual erlöst. Er war in Praha und stand unter
Libussas Schutz. Neben ihm lag das größte Geschenk, das ihm die Götter je vergönnt
hatten. Scharka schlief wie ein Kind, entspannt und unbelastet von den
Abgründen menschlichen Daseins. Sie war von Geburt an beschützt gewesen, und
dieses nur wenigen Menschen vergönnte Schicksal hatte ihr den Glauben an eine
gerechte Welt bewahrt. Mnata konnte immer noch nicht verstehen, weshalb sie ihn
zu ihrem Gefährten gewählt hatte, trotz des Blutes, das an seinen Händen
klebte. Doch mit ihr an seiner Seite machte das Kämpfen Sinn. Er war bereit zu
verletzen, zu töten oder auch
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