Die Träume der Libussa (German Edition)
leisten,
aus diesem Volk ein christliches zu machen, damit den Menschen hier bald der
Weg in Gottes Reich offen steht." Nun wandte sich er energisch an
Frederik: "Ich sagte dir, du sollst die Freundschaft dieses Schamanen
Vojen suchen. Hast du dabei irgendwelche Erfolge aufzuweisen?“
Radegund
fröstelte. Der Mönch hatte nicht gezögert, jene Namen, die sie ihm verraten
hatte, zu seinem Vorteil zu nutzen.
Frederiks Gesicht
färbte sich rosa. „Ich habe ein paar Worte mit ihm gewechselt. Er ist
misstrauisch und verschlossen, einer, der nicht erwartet, dass irgendjemand ihn
mag. Er ist ein unglücklicher Einzelgänger. Von seinen geheimen Kulten hat er
mir nichts verraten.“
„Diese Kulte sind
auch unwichtig. Ich möchte wissen, was in diesem Jungen vor sich geht. Die
Gründe für seine Unzufriedenheit, verstehst du.“
Gundolf hatte
etwas sanfter gesprochen, doch Radegund entging das nervöse Zittern von
Frederiks Augenlidern nicht. Unbewusst rückte sie ein kleines Stück von der
großen Gestalt des älteren Mönchs weg.
„Wie soll ich das
erfahren, Herr?“, murmelte Frederik unglücklich. „Ich habe ihn gerade erst
kennengelernt.“
Gundolf seufzte.
„Du siehst dein Talent nicht, mein Junge. Die Leute mögen dich, selbst hier, wo
wir Fremde sind. Unbeliebte Menschen leiden unter der Zurückweisung durch
andere, besonders wenn sie jung sind. Natürlich täuschen sie Gleichgültigkeit,
ja sogar Hochmut vor, um dies zu verbergen, doch sie leiden trotzdem. Wenn
jemand wie du, dem es leicht fällt, Freunde zu gewinnen, ihre Freundschaft
sucht, fühlen sie sich überaus geschmeichelt. Nutze dies zu deinem Vorteil.
Sobald Vojen den Eindruck gewinnt, du ziehst ihn den anderen jungen Männern
hier vor, wird er sich dir allmählich öffnen.“
Radegund lauschte
gebannt, ebenso fasziniert wie abgestoßen von Gundolfs Überlegungen. Hatte der
neue Bischof von Regensburg Gundolfs natürliche Begabung erkannt und deshalb ausgerechnet
ihn geschickt?
„Herr",
flüsterte Frederik nun leise. „Bitte zürne mir nicht, aber … es … es erscheint
mir nicht recht, aus diesen Gründen die Freundschaft eines Menschen zu suchen.
Um ihn auszuhorchen und anschließend seine Geheimnisse zu verraten.“
Radegund
erstarrte vor Schreck, denn sie fürchtete einen Wutanfall des älteren Mönchs.
Doch Gundolf blieb völlig ruhig.
„Du dienst deinem
Herrn, unserem Gott, und ebnest der Botschaft des Heils den Weg in die Herzen
der Menschen. Manchmal muss man dabei Mittel anwenden, die falsch, geradezu
abstoßend scheinen, wie etwa die Hinrichtungen von Verden, doch sie führen zu
einem heiligen Ziel. Soll dieser Vojen eines Tages als Heide sterben und die
ewige Verdammnis fürchten müssen, so wie dieser alte Sturkopf in Chrasten?“
Zwischen
Frederiks Augenbrauen erschien eine Falte. „Wenn es der ausdrückliche Wunsch
eines Menschen ist, so zu leben und zu sterben, obwohl ich ihm von der
Botschaft des Heils erzählt habe, so sehe ich keinen Grund, Zwang auszuüben.
Steht nicht in der Bibel, das wir vor Gott alle gleich sind, ob Mann oder Frau,
Christ, Jude oder Heide? Sollen wir so werden wie die heidnischen Römer, welche
die ersten Christen den Löwen vorwarfen? Das entspräche nicht dem Willen Jesu!“
Begeisterte
Überzeugung, endlich die richtige Antwort gefunden zu haben, erhellte sein
Gesicht, das sich erwartungsvoll Gundolf zuwandte. Der ältere Mönch musterte
ihn abfällig.
„Du bist ein
Träumer, Frederik, der noch viel lernen muss. Unser König wünscht die Bekehrung
aller Heiden. Willst du dich dem entgegenstellen?“
Radegund hörte
deutlich den drohenden Tonfall. Doch zu ihrem Erstaunen widersprach Frederik
erneut: „Ich denke, man sollte zunächst andere Mittel versuchen. Wir müssen mit
den Leuten reden, um sie auf friedliche Weise zu überzeugen.“
Gundolf verzog
spöttisch sein Gesicht. „Genau das konntest du in den letzten Wochen tun. Ich
ließ dich frei handeln. Welche Erfolge kannst du vorweisen, außer einem vollen
Magen und dem Lächeln ein paar hübscher junger Mädchen, die dich mit ihrer heidnischen
Freizügigkeit in Versuchung führen wollten?“
Auch dieser Spott
zwang den jungen Mönch nicht in die Knie. „Du bist zu ungeduldig, Herr. Ich
fand Menschen, die mir zuhörten. Unter anderem auch diese Kazi, eine in der
Gegend sehr angesehene Frau. Ich fragte sie einmal, warum sie in ihrer Hütte
verletzte und kranke Tiere versorgt, anstatt sich ganz dem Wohl der Menschen zu
widmen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher