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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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angesteckt worden, doch Gundolf blickte äußerst
zufrieden.
     
    „Wann begann es mit deinen
Schmerzen?“, fragte Kazi mit ernstem, verschlossenem Gesicht. Libussa richtete
sich auf. Ihre Schwester hatte darauf bestanden, dass sie sich gleich nach der
Zeremonie hinlegte, doch schien ihr das überflüssig, da sie wieder bei Kräften
war.
    „Ich weiß es
nicht mehr genau. Schon seit Jahren habe ich manchmal ein Ziehen im Unterleib.
Ich dachte, ich hätte etwas Falsches gegessen. Dann wurde es zu einem Stechen.
Einen so heftigen Anfall hatte ich bisher nur einmal vor fast einem Jahr. Er
ging vorbei, und alles schien wieder in Ordnung.“
    Zwischen Kazis
Brauen erschien eine tiefe Falte. „Warum bist du nicht früher zu mir gekommen?“
    Libussa fühlte
Ärger in sich aufsteigen. Kazi sprach wie eine strenge Lehrmeisterin. „Weil es
immer so viele Dinge gab, die mich beschäftigten und die ich erledigen musste.
Eine Fürstin und Hohe Priesterin kann sich nicht wegen jedes kleinen Leidens
klagend niederlegen.“
    „Wie ein kleines
Leiden hat es vor einer Weile nicht ausgesehen", meinte die Schwester
unerbittlich. Libussa senkte den Blick. Ihr Zusammenbruch während der
Beisetzung des Stammesführers war peinlich gewesen. Sie hatte das Gefühl, im
letzten, wichtigsten Augenblick versagt zu haben, und spürte im Geiste Kroks
vertrauten, strengen Blick. Würde ihr der Onkel nun so in Erinnerung bleiben,
als ein Mensch, den sie enttäuscht hatte?
    „Lass mich deinen
Bauch abtasten, bevor ich dir ein Mittel gebe", riss Kazi sie aus diesen Gedanken.
Libussa erschauerte. Seit einigen Wochen hatte sie sich bemüht, die harte
Schwellung vor Premysl zu verbergen. Auf einmal überkam sie Angst vor dem
Urteil ihrer Schwester. Solange niemand von ihrem Leiden gewusst hatte, war es
ihr harmlos vorgekommen, geradezu unwirklich.
    Die Vernunft
zwang sie jedoch, ihr Gewand hochzuziehen. Kazis Berührung war sanft, aber
hartnäckig. Die Finger glitten über ihren Unterleib, bewegten sich langsam
vorwärts und als sie an eben jener gefürchteten Stelle Halt machten, trat der
Schweiß aus Libussas Poren. Das feine Tasten war auf einmal zu einer Qual
geworden. Sie wollte aufspringen und aus dem Raum fliehen, sich einreden, dass
alles nur ein böser Traum war.
    Voller Angst
richtete sie ihre Augen aus Kazis Gesicht, das reglos schien.
    „Seit wann hast
du diese Schwellung?“
    Libussa holte
mühsam Luft. „Sie ist mir vor einigen Wochen aufgefallen.“
    „Ist sie in der
Zwischenzeit gewachsen?“ Der sachliche Tonfall der Heilerin beruhigte Libussa
ein wenig.
    „Nicht besonders.
Ich habe nichts bemerkt. Wahrscheinlich verschwindet sie bald wieder von
selbst. Ich hatte einmal eine Schwellung am Handgelenk, die nach einigen Tagen
verging.“
    Kazi nickte.
„Aber in deinem Bauch sind keine Gelenke, die anschwellen, wenn du sie zu sehr
beanspruchst. Das ist ein Geschwür.“
    Das Wort klang
hässlich.
    „Wird es
vergehen?“, flüsterte Libussa.
    Kazi schüttelte
den Kopf. „Ich fürchte nicht. Es wird vermutlich wachsen.“
    Libussa fühlte,
wie Kälte sich durch ihren ganzen Körper zog, als sei auf einmal der erste
Schnee gefallen.
    „Wäre es weniger
schlimm gewesen, wenn ich früher gekommen wäre?“, zwang sie sich zu fragen.
    „Nein“, erwiderte
Kazi, „denn ich hätte nichts tun können. Einer der Druiden zeigte mir vor
vielen Jahren, wie man Geschwüre herausschneiden kann. Das ist eine sehr
schmerzhafte, gefährliche Prozedur. Ich versuchte sie einmal bei einer Katze,
doch sie ist trotzdem gestorben. Deshalb verschone ich die Menschen meistens
damit, außer sie wünschen ausdrücklich eine solche Behandlung. Aber an deinem Bauch
kann ich nicht herumschneiden, ohne dir tödliche Verletzungen zuzufügen.“
    Auf einmal
überkam Libussa tiefe Ruhe, denn sie war frei von Schuld. Ein anderes Verhalten
hätte sie nicht retten können. Die Wahrheit hatte sie schon lange geahnt, auch
wenn sie dieses dumpfe Gefühl aus ihrem Bewusstsein verdrängt hatte. „Wie lange
werde ich noch leben, Schwester?“
    Kazi schwieg und
ihre Augenlider zuckten, als müsste sie Tränen zurück halten.
    „Ich weiß es
nicht", sagte sie nach ein paar mühsamen Atemzügen. „Wenn du Glück hast,
hört es auf zu wachsen oder vergrößert sich sehr langsam. Dann kannst du noch
viele Jahre leben. Ich werde dir Mittel gegen die Schmerzen geben.“
    Ein Schleier vor
Libussas Augen war zerrissen. Auf einmal wollte sie die Wahrheit wissen.
    „Und wenn

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