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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Vergessenheit geraten, auch wenn er durch bewusst
schlichte Kleidung immer wieder auf sie aufmerksam machte. Die Wahl des
Stammesführers schien entschieden.
    Libussa atmete
erleichtert auf. Nun würde endlich das Abendmahl folgen. Über alles Weitere
konnte sie mir Premysl reden, sobald sie allein waren.
    Sie sah, wie
Vojen sich aufrichtete und zum Ende der Tafel ging. Plötzlich spürte sie wieder
den Schmerz in ihrem Bauch, als habe sie jemand mit einem Messer gestochen.
    „Hört mich an!“
    Die Stimme des
Jungen war schwach, aber er sprach mit Entschiedenheit.
    „In anderen
großen Völkern haben kluge Köpfe das Wesen der Frauen erkannt. Sie sind uns
Männern von Natur aus unterlegen, neigen zu Triebhaftigkeit und
Verschlagenheit. Wir machen uns zum Gespött der Welt, wenn wir uns weiterhin
von ihnen beherrschen lassen!“
    Nun brach der
Sturm wieder los. Thetka brüllte gemeinsam mit anderen Frauen Verwünschungen.
Aus den hinteren Reihen kam ein Stück Brot geflogen, das an Vojens Kopf
landete. Andere Essensstücke folgten, verfehlten aber ihr Ziel. Vojen blieb
unerschütterlich stehen und hielt dem allgemeinen Protest stand.
    „Lasst den
Jungen reden!“, erklang Slavoniks befehlsgewohnte Stimme.
    „Was kümmern
uns die geistigen Ergüsse irgendwelcher Männer aus anderen Völkern?“, widersprach
Lecho sogleich, und wieder hallte zustimmendes Stimmengewirr durch den Saal.
    „Es mag Gründe
geben, warum andere Völker groß und mächtig wurden, während wir uns stets vor
Angriffen fürchten müssen", stellte Slavonik sich dem entgegen. „Die
Awaren, die uns versklavten, hatten männliche Anführer. Die Römer unterwarfen
fast die ganze Welt. Taten sie das unter der Herrschaft einer Frau? Nun bedroht
uns ein mächtiger Mann, der Frankenkönig. Kann uns ein weichherziges Weib an
der Seite eines Bauern vor dieser Gefahr bewahren?“
    Der Schmerz
raubte Libussa beinahe den Atem. Sie wusste nicht, wem sie zuerst widersprechen
sollte. Vojen, der Frauen für heimtückisch und verschlagen hielt, oder
Slavonik, der sie zu weichherzig fand, um das Volk zu führen. Vielleicht war
alles, was Frauen taten, für solche Männer falsch? Premysl drückte unter der
Tafel ihre Hand und hob den Fürstenstab.
    „Wenn Vojen uns
noch mehr zu sagen hat, dann soll er reden. Dieses Recht hat jeder im großen
Saal. Es gibt keinen Grund, mit Essen nach ihm zu werfen, denn wir sind alle
hungrig. Aber er möge sich bitte kurz fassen, damit wir bald schon mit dem
Abendmahl beginnen können, von dem dann hoffentlich noch genug übrig ist.“
    Gelächter
sorgte für Entspannung unter den erhitzten Gemütern. Vojen stand immer noch
aufrecht, obwohl ihn nun spöttische Blicke musterten.
    Er redete.
Erzählte etwas von Schriftgelehrten, die Frauen allgemein verdammten. Eine
Aufzählung unbekannter Namen folgte. Die Christen wussten, dass durch ein Weib
Unglück über die Menschen gekommen war, weil sie einen Mann überredet hatte, in
einen Apfel zu beißen, der Wissen brachte.
    Premysl fragte,
warum es schlecht für die Menschen sein sollte, Wissen zu gewinnen. Wollte der
Christengott etwa nur dumme Geschöpfe?
    Libussa drückte
ihre Handfläche an die Stelle, wo der Schmerz sie plagte. Am liebsten wäre sie
in ihre Kammer gegangen, um sich auf der Bettstatt zusammenzurollen. Doch sie
durfte ihre Verteidigung nicht Premysl überlassen. Wenn sie sich im großen Saal
derart beleidigen ließ, verlor sie an Ansehen.
    „Außerdem hat
niemand diesen Mann gezwungen, in den Apfel zu beißen", sagte Premysl
jetzt. "Später ist es natürlich einfach, die Schuld auf andere zu
schieben. So verhalten sich kleine Kinder." Wieder sorgte er für
Gelächter. 
    Vojen redete
unbeirrt weiter, doch kaum jemand hörte noch zu. Sein Redefluss war ein
eintöniges, kraftloses Plätschern. Um ihn herum entwickelten sich Gespräche.
Ungeduldige Hände griffen nach dem Essen auf der Tafel, doch nicht mehr, um ihn
damit zu bewerfen, sondern um es sich in den Mund zu stecken.
    „Jetzt reicht
es!“, Libussa hörte die energische Stimme ihrer älteren Schwester und sah Kazi
auf Vojen zugehen. Sie fühlte Angst in sich aufsteigen, ohne zu wissen warum.
Am liebsten wäre sie aufgesprungen, um die Schwester zurückzuhalten.
    Kazi baute sich
vor ihrem Sohn auf, und dieser schien unter ihrem zornigen Blick zu schrumpfen.
    „Du hast die
Leute lang genug mit diesem Unsinn gelangweilt. Da gab es also ein paar Männer,
die keine Frauen mochten. Ich darf ihnen nicht

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