Die Träume der Libussa (German Edition)
Nacht brauche, um ein Bad im Fluss zu nehmen?“
Dann kam die Erntezeit und er
musste bis zum Anbruch der Dunkelheit arbeiten. Libussa bot sich zögernd an,
mitzuhelfen, doch Premysl lehnte ab. „Die Söhne unserer Fürstin reiten manchmal
an den Feldern vorbei. Sie sollten ein Mädchen wie dich besser nicht sehen.“
Sie wusste
nicht, weshalb er Bedenken hatte, sah aber selbst gute Gründe, Neklan und
Vojtan nicht zu begegnen. So saß sie mit seiner Mutter und Magda in der Hütte.
Das Mädchen brabbelte vor sich hin und hüllte sich in die bunte, mit Holzperlen
bestickte Tunika, die Libussa in Chrasten für sie gewebt hatte. Libussa empfand
dieses eigenartige Geschöpf nicht mehr als unangenehm. Anders war es mit
Premysls Mutter, die sie seit jenem ersten Abend nie wieder angelächelt hatte.
Erst nach einer langen Zeit drückenden Schweigens begann die alte Frau auf
einmal zu reden: „Mein Sohn ist ein guter Junge, fleißig und mutig. Ich gab ihm
zunächst den Namen seines Vaters, Dalimir, doch als er heranwuchs, da fiel allen
Leuten auf, wie schnell er Lösungen für unsere Schwierigkeiten fand. Und nannte
man ihn immer häufiger Premysl: Einer, der nachdenkt. Es gibt an diesem Ort
keinen schlaueren Kopf als ihn.“
„Das weiß ich.“
Libussa bemühte sich, freundlich zu klingen.
„Viele andere
Mädchen im Dorf wissen das auch und haben ein Auge auf ihn geworfen.“
Die Worte
stachen wie ein Messer.
„Aber eine
geheimnisvolle Fremde, die kommt und geht, wie es ihr gefällt, scheint ihm
aufregender.“
Libussa fuhr
zornig auf. „Ich komme, wann ich kann, und gehe, weil ich muss. Ich habe auch
meine Pflichten im Leben.“
Die alte Frau
nickte. „Ich will keinen Streit mit dir, Mädchen“, fuhr sie mit etwas sanfterer
Stimme fort. „Meinem Jungen tust du gut. Er ist weniger zornig und bitter, seit
er dich kennt. Du hast Glück in sein Leben gebracht. Außerdem versorgst du uns
mit Essen und machst meiner Tochter Geschenke. Das würde nicht jede hohe Dame
tun.“
Libussa musste
nach Luft schnappen, bevor sie sprechen konnte. Ihr war, als drückte ihr eine
kalte Hand die Kehle zu. „Ich habe gesagt, dass ich einer hohen Herrin diene.
Macht mich das selbst zu einer hohen Dame?“
Premysls Mutter
schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, das tut es nicht. Aber du hast nicht die
Wahrheit gesagt. Ich habe selbst einmal auf der Festung der Lemuzi gedient, und
glaube mir, ich erkenne eine Dame, wenn ich eine sehe. Selbst Kindsmägde oder
Zofen haben nicht die Zeit und Mittel, eine solche Tunika zu weben, wie du sie
meinem Mädchen geschenkt hast. Vielleicht in anderen Ländern, wo die Fürsten
bereits reicher sind und ihre engsten Diener besser leben können, aber nicht
bei uns. Ich ahnte es schon gleich wegen deiner feinen Hände und deinem
Benehmen. Du stammst aus einem Fürstenclan, Mädchen.“
Libussa senkte
den Kopf. Auf einmal fühlte sie sich zu erschöpft, um nach Ausflüchten zu
suchen. „Weiß Premysl davon? Hast du mit ihm gesprochen?“, flüsterte sie nur.
Die alte Frau
seufzte tief. „Nein, denn ich will mich nicht einmischen. Ich habe im Leben
gelernt, dass man die schönen Zeiten genießen muss, solange sie dauern. Sie
kommen selten genug. Es gibt nur eine Sache, um die ich dich bitten möchte.“
Sie rückte näher an Libussa heran. Ihr Blick war frei von Vorwürfen oder
Feindseligkeit. „Wenn die Zeit kommt, da du genug von diesem Abenteuer hast und
dein Vergnügen anderweitig suchst, dann verletzte meinen Sohn bitte nicht zu
sehr. Er hat es schwer genug, weil er sich immer wieder gegen die Fürstin Olga
und ihre Söhne auflehnt, auch wenn das nur zu weiteren Schikanen führt.
Deine Besuche hier machen ihm Freude. Aber wenn du nicht mehr kommen willst,
vielleicht könntest du dann einfach wegbleiben, damit er nicht erfährt, wie du
ihn getäuscht hast. Dann könnte er dich als schöne Erinnerung behalten.“
Libussa fror plötzlich. Die alte
Frau stellte sie als so hässlich hin, so selbstsüchtig und gemein. „Genauso gut
könnte Premysl doch einmal die Lust an mir verlieren“, meinte sie unsicher,
doch die alte Frau war nicht zu überzeugen.
„Ich kenne
diese Welt, mein Mädchen. Dein Leben ist voller Möglichkeiten, die Premysl
nicht hat.“
Noch während sich Libussa fragte,
was denn so besonders an ihrem Leben sein sollte, öffnete sich zu ihrer
Erleichterung endlich die Tür und Premysl trat ein. Er musste sich bereits am
Dorfbrunnen gewaschen haben, denn sein Haar
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