Die Träume der Libussa (German Edition)
war nass. Wieder einmal vermied er
es, sie anzusehen, was sie nun als Zeichen von Verlegenheit deutete.
Vermutlich schämte er sich für seine schmutzige Kleidung und die vom langen
Schwingen der Sichel aufgerissenen Handflächen. Aber Krieger sahen auch nicht
besser aus, wenn sie von einem Wettkampf kamen. Sie stand auf und umarmte ihn
zur Begrüßung, was sie sonst vor seiner Mutter nie gewagt hatte. „Lass uns
etwas Brot und Schinken nehmen. Dann können wir draußen am Flussufer essen“,
sagte sie, denn die Gegenwart der alten Frau war ihr unangenehm geworden.
Premysl sah überrascht aus, aber er willigte ein, nachdem er sich bei seiner
Familie entschuldigt hatte.
Er schwieg den
ganzen Weg über, doch sobald sie an der gewohnten Stelle waren, riss er sie an
sich. Bei den letzten Treffen waren seine Berührungen immer sicherer und
geschickter geworden, aber nun spürte sie einen unbändigen Hunger in ihm.
Libussa gefiel es. Sie gab seinem Drängen nach, das vertraute Gefühl von
leidenschaftlicher Erregung durchströmte ihren Körper und ließ sie schließlich
aufschreien.
Nach einer Weile hörte sie, wie
Premysls Atem an ihrer Seite allmählich ruhiger wurde. „Es tut mir Leid“,
flüsterte er, „Ich bin über dich hergefallen.“
Libussa lachte. „Das hat mich
nicht gestört, wie du vielleicht gemerkt hast.“ Sie rollte sich auf ihn und
spürte klebriges Nass unter ihrer rechten Hand. Es fühlte sich nicht an wie
Wasser. Als der Mond hinter den Wolken hervorkam, sah sie das Blut. An Premysls
Schulter klaffte eine offene Wunde.
„Du bist
verletzt. Das muss verbunden werden“, sagte sie erschrocken und dachte sofort
an Kazis ruhige, heilende Hände.
„Es ist nichts
Schlimmes. Meine Mutter wird sich morgen darum kümmern.“
Die Erwähnung
der alten Frau rief Libussa deren Worte in Erinnerung, und ihr Magen krampfte
sich zusammen.
„Waren die
Söhne der Lemuzi-Fürstin bei den Feldern?“
„Ja. Gemeinsam
mit ihren Kriegern. Sie beobachten jetzt schon, wie die Ernte ausfällt, damit
wir nichts vor ihnen verstecken können. Es wird so sein wie im letzten Jahr.
Sie wollen uns gerade das Nötigste lassen, damit wir nicht verhungern und sie
ihre Arbeitskräfte verlieren.“
Libussa ließ sich wieder auf den
Rücken fallen. Vielleicht konnte sie mit Onkel Krok reden, der schon von seiner
Reise zu den Wilzen zurück sein musste. Er hatte jede Ungerechtigkeit stets
gehasst. Doch die vage Hoffnung verschaffte ihr keine Erleichterung. Premysl
hatte sich aufgerichtet und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Ich kann nicht
hier bleiben. Diese Wut, das ist, als würde es in mir brennen. Ich nehme mir
vor, mich zurückzuhalten, aber es gelingt mir nicht.“
Libussa
streichelte seinen Rücken. Er hatte lange nicht mehr mit ihr über den
Lemuzi-Fürstenclan gesprochen. Sie wusste so wenig von seinem Leben. Die alte
Frau hatte Recht, sie war eine Fremde, die einfach kam und ging.
Premysl legte
sich wieder an ihre Seite und zog sie an sich. „Hör zu, ich habe nachgedacht.
Schon vorher, aber vor allem heute auf den Feldern. Was du damals gesagt hast
über die Schnitzerei. Vielleicht hast du Recht. Ich könnte versuchen, davon zu
leben. Außerdem kann ich Räder und Werkzeug richten. Die anderen Bauern kommen
deshalb oft zu mir.“
Libussa nickte
und fühlte ein vages Unbehagen. Wohin wollte er denn gehen, wenn er sein Dorf
verließ?
„Ich dachte mir,
wir wahren die alten Sitten. Dass der Mann zu der Frau kommt und nicht
umgekehrt, verstehst du? Ich kann schlecht von dir verlangen, in eine
Bauernhütte zu ziehen, denn du bist Besseres gewöhnt. Das kann jeder sehen.“
Diesmal lag keinerlei Spott in seiner Stimme. „Ich weiß immer noch nicht, wer
du bist“, fuhr er fort, „und du hast sicher gute Gründe, es mir nicht zu sagen,
aber wenn du willst, dann …dann …könnte ich versuchen, mich in Chrasten oder in
der Nähe niederzulassen. Ich erwarte nicht, dass du mit mir die
Hochzeitszeremonie vollziehst. Wir müssten auch nicht gleich zusammenleben,
aber wir könnten uns öfter sehen, damit wir einander besser kennen lernen.“
Libussa war wie
gelähmt. Ein Teil von ihr wollte am liebsten tanzen vor Freude, aber sie durfte
ein solches Gefühl nicht zulassen. „Was ist mit deiner Mutter und Magda?“,
flüsterte sie.
„Mit meiner
Mutter habe ich schon gesprochen. Sie sieht ein, dass ich hier kein Leben habe.
Natürlich werde ich die beiden mitnehmen. Wie gesagt, wir müssen nicht
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