Die Träume der Libussa (German Edition)
schmiegte ihr Gesicht an seine Wange.
„Und dann, als
du von deinem Pferd gestiegen bist in deiner Reiterkleidung ... Ich wusste
schon damals im Wald, dass du keine Bäuerin sein kannst, denn deine Hände sind
zart. Und Pferde haben nur die hohen Herrschaften und ihre Krieger.“
So viel zu
meiner Verkleidung, dachte sich Libussa. Premysls Finger strichen ihr durchs
Haar. Er zitterte und sie drängte sich noch enger an ihn um zu wärmen.
„Ich dachte,
wenn sie sieht, wie ich hier lebe, dann sitzt sie schneller wieder auf ihrem
Pferd als ich bis drei zählen kann“, sagte Premysl leise.
Libussa lachte.
Das Glück war ein noch stärkerer Rausch als alle Tränke beim Kupala-Fest. „Du
hast dir auch wirklich Mühe gegeben, mich zu vertreiben.“
Er nickte. „Ich
dachte, dann würde dein Fortgehen mir weniger ausmachen. Aber das stimmt
nicht.“
Die Sehnsucht
war wieder da, diesmal verstärkt nach all der Zeit der Unsicherheit. Libussa
schob ihre Hände sanft unter Premysls Hemd und hörte ihn seufzen. Seine
Berührungen wurden fordernder.
„Sag mir, wer
du bist, Mädchen ohne Namen.“
Sie erstarrte.
Warum musste er jetzt alles verderben? Einen Augenblick war sie versucht, ihren
Namen zu nennen, doch die Angst vor Zurückweisung lähmte ihre Zunge. Sie küsste
ihn. „Frag mich das nicht. Bitte frag mich das nie wieder. Ich habe gute
Gründe, es dir nicht zu sagen. Und belügen will ich dich nicht. Sieh mich so,
wie ich jetzt bin.“
Er zögerte
einen endlosen Augenblick und Libussa war wie versteinert, bis sie endlich das
Kratzen seiner Hände unter ihrer Tunika fühlte.
Am nächsten
Morgen holte Premysl ihr Pferd aus dem Stall und sie stieg auf. Er streichelte
Stekas Kopf, und Libussa meinte spüren zu können, wie sehr dies der Stute
gefiel. Kazi würde ihn achten, aber sonst niemand in ihrer Familie, dachte sie.
Dann strich er
zärtlich mit der Hand über ihr Bein. „Kommst du wieder, Mädchen ohne Namen?“
Sie nickte und
ritt los, um dem Schmerz, der ihr die Kehle zuschnürte, zu entfliehen.
„Mutter, darf ich kurz mit dir
reden?“
Libussa betrat
zögernd die Kammer und sah Fürstin Scharka auf einem Schemel sitzen. Zwei Mägde
flochten ihr langes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar zu kunstvollen
Zöpfen. Die Fürstin der Lukaner war gestorben und als Hohe Priesterin der
Behaimen sollte Libussas Mutter die feierliche Beisetzung leiten. Auch ihre
Töchter würden mitgehen. Thetka wurde ebenfalls aufwändig frisiert, während
Kazi sich versteckt hatte, um der verhassten Prozedur zu entkommen. Libussas
Haar war bereits fertig.
Fürstin Scharka
wandte ungeduldig den Kopf.
„Na gut, wenn
es nicht zu lange dauert.“
Libussa fühlte,
wie ihr die Worte im Hals stecken blieben. Vermutlich hatte sie einen
ungünstigen Zeitpunkt gewählt, denn ihre Mutter war meistens gereizt, wenn an
ihrem Äußeren herumgezupft wurde. Sie bewegte sich am liebsten im Freien, jagte
und trug Wettkämpfe aus. Frauenarbeit war ihr verhasst, ebenso wie das endlose
Sitzen, während sie für öffentliche Auftritte hergerichtet wurde.
„Es geht um die
Fürstin der Lemuzi“, begann Libussa dennoch, da sie wusste, dass sie nur selten
Gelegenheit hatte, in Ruhe mit ihrer Mutter zu reden. „Ich habe seltsame
Gerüchte über sie gehört, von einer Magd, deren Namen ich versprochen habe,
nicht zu nennen.“
„Was sollen das
für Gerüchte sein? Hat sie einen Liebhaber, der diesmal nicht nur ihr Sohn,
sondern gar ihr Enkel sein könnte?“
Fürstin Scharka
lächelte spöttisch. Diese Vorstellung schien ihre Laune ein wenig zu
verbessern. Libussa fiel ein, dass ihre Mutter die Fürstin Olga trotz ihres
manchmal unpassenden Benehmens durchaus schätzte. Scharka mochte Frauen, die es
verstanden, ihren eigenen Kopf durchzusetzen.
„Nein, das ist
es nicht. Es geht um die Art, wie sie ihre Bauern behandelt“, setzte Libussa
ihre Rede fort. Sie schämte sich, wie zaghaft ihre Stimme klang. Nach ihrem
Abschied von Premysl hatte sie den halben Heimritt damit verbracht, sich auf
dieses Gespräch vorzubereiten und nach geeigneten Worten zu suchen, um ihre
Empörung über Olgas Verhalten klar zum Ausdruck zu bringen. Doch jetzt fühlte
sie sich plötzlich befangen. Die Angst, von ihrer stets bewunderten Mutter
enttäuscht zu werden, lähmte sie.
„Was ist denn
mit diesen Bauern? Fass dich bitte kurz. Wie gesagt, ich habe nicht viel Zeit.“
Die Stimme ihrer Mutter klang wieder gelangweilt und ungeduldig.
„Sie
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