Die Träume der Libussa (German Edition)
das
Hämmern ihres Herzens. ‚Nimm den Dolch! Wehre dich!’, flüsterte die Stimme
ihrer Mutter in ihrem Kopf. Aber was konnte sie ausrichten gegen drei
bewaffnete Krieger?
Ein Angriff
würde sie vielleicht nur zorniger machen. Sie musste versuchen, geschickt und
beherrscht vorzugehen „Ihr könnt mein Pferd haben, wenn ihr wollt. Ich laufe zu
Fuß weiter“, bot sie mit freundlicher, möglichst furchtloser Stimme an.
Die
Vorstellung, Steka diesen unheimlichen Fremden zu überlassen, schmerzte so sehr,
dass sie fast erleichtert war, als Antwort nur grölendes Gelächter zu hören.
„Das Pferd nehmen wir uns schon noch. Aber erst einmal nehmen wir dich.“
Sie wusste,
dass sie eine Fluchtmöglichkeit abpassen musste, aber panische Angst lähmte
ihren Körper und ihren Verstand.
„Los, Vojmir.
Du bist als Erster dran. Hol die Kleine vom Pferd!“ Diesmal hatte der Riese
gesprochen. Die Worte klangen hart und unmelodisch aus seinem Mund. Er musste
wirklich ein Fremder sein. Der Mann namens Vojmir stieg ab und kam auf sie zu.
Als er seine Hand nach ihrem Bein ausstreckte, gewann Libussa endlich die
Beherrschung über ihren Körper wieder zurück. Sie trat mit ihrer Stiefelspitze
nach dem Fremden und sah mit Freude einen Schwall Blut aus seiner Nase strömen.
„Lasst mich in
Ruhe! Verschwindet!“, schrie sie aus Leibeskräften. Sie versuchte Steka an den
anderen Pferden vorbei zu treiben, aber ein starker Arm legte sich um ihre
Taille, und die Zügel wurden ihr aus der Hand gerissen.
„Na, dann bin
eben ich der Erste, der die Kleine bekommt“, flüsterte der Riese ihr ins Ohr.
Er roch nach Schweiß und Met, und sie zappelte hilflos in seiner Umklammerung,
die wie eine eiserne Fessel war.
‚Hoffentlich
läuft Steka weg, bevor sie sie mitnehmen können’, schoss es Libussa durch den
Kopf. Sie schloss die Augen und sehnte sich nach Bewusstlosigkeit. Dann öffnete
sich die eiserne Fessel plötzlich.
„Reite weg!
Schnell!“ Premysls Stimme schien von weit her zu kommen, doch als sie ihre
Augen öffnete, stand er dicht neben ihr. In seiner Hand hielt er einen dicken
Ast, mit dem er nach dem Riesen geschlagen haben musste. Libussa regte sich
nicht. Auf einmal war alles nur noch ein schrecklicher Traum, aus dem sie nicht
erwachen konnte.
Alle drei
Krieger stürzten sich auf Premysl und kreisten ihn ein. Sie hieben und stachen
mit ihren Speeren nach ihm, heftig genug, um ihm Wunden zuzufügen und ihn
manchmal auch stürzen zu lassen, aber sie gaben ihm die Zeit, sich wieder
aufzurappeln. Manchmal gelang es ihm, einen von ihnen mit dem Ast zu treffen. Dann
war der nächste Speerstich etwas heftiger. Sie hätten ihn auf der Stelle töten
können, doch das Spiel schien ihnen Freude zu bereiten.
Etwas in ihr
zerbarst. Sie hörte einen lauten, wilden Schrei durch den Wald dringen. Es war
der uralte Schlachtruf ihres Volkes, den ihre Mutter sie einst gelehrt hatte.
Damals war er ihr albern vorgekommen, doch nun begriff sie seinen Sinn. Die
Macht ihrer eigenen Stimme trieb sie voran. Sie riss den Dolch aus ihrem Gürtel
und raste auf jenen Krieger zu, dessen Speer gerade auf Premysl gerichtet war.
Es gelang ihr, den Dolch in seinen Rücken zu rammen. Ihre Hand färbte sich rot.
Dann war alles wie ein Rausch. Sie hieb und duckte sich, um Angriffen
auszuweichen, während das Blut in ihren Ohren toste.
Der
Überraschungsangriff hatte ihr einen kurzen Vorteil verschafft, denn keiner der
drei Männer schien mit ihrer Einmischung gerechnet zu haben. Sie waren zu
verblüfft, um ebenso heftig zurück zu schlagen, doch das änderte sich schnell.
Stechende Schmerzen schossen durch ihren Körper, als die Speerspitzen sie immer
wieder trafen. Die Kraft in ihrem Arm ließ langsam nach. Sie hatte nie gelernt,
so gelernt zu kämpfen wie Thetka. Die Kampfausbildung hatte ihr nicht gefallen.
Doch selbst Thetka hätte sich nicht gegen diese drei Männer behaupten können.
Premysl hieb an ihrer Seite mit dem Ast um sich, kräftig und geschickt wie ein
zorniger Dämon. Es stimmte wohl, dass er einst zum Krieger ausgebildet werden
sollte, Aber trotzdem war ihr beider Kampf aussichtslos. Sie hatte davon geträumt,
mit ihm gemeinsam leben zu können. Und jetzt starben sie zusammen.
Eine
Speerspitze raste auf sie zu. Libussa duckte sich, doch eine andere näherte
sich ebenso schnell, dass sie nicht zurückweichen konnte. Dann ertönte ein
Schrei. Premysls Ast hatte den Arm des Angreifers getroffen, und er ließ
seine Waffe
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