Die Träume der Libussa (German Edition)
schien ihr noch unerträglicher
als alle vorherigen Drohungen.
Libussa erkannte den kleinen
Holzbau, den Olga ihr als die Küche beschrieben hatte. Sie bewegte sich so
schnell wie möglich vorwärts, obwohl bei jedem Schritt ein Messer in ihren
rechten Oberschenkel stach. Die anderen Wunden waren erträglich, aber sie würde
noch einmal den Verband an ihrem Bein wechseln lassen müssen, bevor sie den
Heimritt antrat. Vielleicht befand sich die Heilerin noch bei Premysl und
konnte es gleich erledigen.
Ihr wurde
langsam klar, dass es ein Fehler gewesen war, Streit mit der Lemuzi-Fürstin zu
beginnen. Sie hätte nicht drohen dürfen, sich bei ihrem Onkel zu beschweren.
Aber nun war es nicht mehr zu ändern. Sie musste sicherstellen, dass Premysl
außer Gefahr blieb, dann nach Möglichkeiten suchen, wie sie sich trotz der
widrigen Umstände weiter sehen konnten. Diese Entschlossenheit half ihr, die
aufkeimende Angst und Verzweiflung zurückzudrängen. Ihr Wille war ein Ast, auf
den sie sich stützte.
Kaum hatte sie
die Küche betreten, blickten mehrere Augenpaare sie staunend und verunsichert
an. Plötzlich fühlte sie sich unwohl in dem fein gewebten, mit Stickereien
verzierten Kleid Ludmillas. Es machte mehr als deutlich, zu welchen Leuten sie
gehörte.
Premysl lag auf
einer Strohmatte in der Mitte des Raumes. Ein junges Mädchen war im Begriff,
ihm eine Brühe einzuflößen. Er schien hauptsächlich aus Verbänden zu bestehen,
die sich bereits rot gefärbt hatten. Sein Gesicht war aschfahl, und er musste
bereits viel Blut verloren haben. Libussa sehnte sich nach Kazis Gegenwart.
„Ich muss
mit ihm reden“, beantwortete sie die stumme Frage, die in den Augen aller
Anwesenden zu lesen war. Niemand rührte sich, nur die Blicke wurden
feindseliger.
„Es ist in
Ordnung. Lasst mich mit ihr allein“, murmelte Premysl und die Leute gingen
hinaus. Das Mädchen mit der Brühe musterte Libussa dabei so hasserfüllt, dass
ihr Tränen in die Augen schossen.
„Bist du hier,
um Abschied zu nehmen, Libussa von den Tschechen? Das ist edel, aber unnötig.
Du wolltest doch ohnehin fortreiten, als sie dich im Wald aufhielten.“ Zum
ersten Mal sprach er ihren Namen aus, doch seine Worte schmerzten mehr als jede
ihrer Wunden. Sie begann zu ahnen, wie ihr heimliches Fortgehen auf ihn gewirkt
haben musste. Was machte es noch für einen Sinn, ihm zu versichern, sie hätte
es sich bald schon anders überlegt? Eine solche Beteuerung würde sie an seiner
Stelle auch nicht glauben. „Dein Angebot kam so unerwartet“, erklärte sie
leise. „Es machte mir Angst. Aber ich habe unüberlegt gehandelt. Es tut mir
Leid, vor allem wegen der Folgen, die es für uns beide hatte.“
Premysl
schüttelte den Kopf. „Der Überfall hat nichts mit dir zu tun. Sie hatten es auf
mich abgesehen, schon seit Längerem. Du bist da nur mit hineingeraten, weil sie
wussten, dass du mein Mädchen warst. Wie sollten sie denn ahnen, welch edlen
Besuch ich regelmäßig bekam? Ich wusste es ja nicht einmal selbst.“
Sein spöttisches
Lachen traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Sie trat einen Schritt zurück. Wie
dumm sie sich die ganze Zeit benommen hatte! Wie eine unreife, verwöhnte
Fürstentochter auf der Suche nach ein bisschen Aufregung. Ihr graute vor dem
Bild, das er nun von ihr haben musste. Olga von den Lemuzi vermochte ihre
Beziehung nicht zu zerstören, doch wenn Premysl selbst es wollte, konnte sie
daran nichts ändern.
„Es tut mir
Leid. Ich hätte dir gleich sagen sollen, wer ich bin, aber du sprachst so
schlecht von den fürstlichen Familien, dass ich es nicht wagte.“ Ihre Stimme
klang kleinlaut, und sie kam sich dadurch noch ein wenig dümmer vor.
„Es ist schon
gut, Libussa“, meinte er in etwas versöhnlicherem Ton. „Ich hätte mich nicht
einzulassen brauchen mit einem Mädchen ohne Namen. Lass uns in Frieden
auseinander gehen.“
Seine Augen
blickten starr zur Decke. Sie hatte Angst zu sprechen, denn es brauchte nun
ihre ganze Kraft, die Tränen zurückzuhalten.
„Was ist? Gibst
du mir noch einmal die Hand, Mädchen ohne Namen?“ Er richtete sich stöhnend
auf. Libussa kam langsam näher. Sie musste es hinter mich bringen.
Als sie vor ihm
stand, schien er vor einer Berührung zu zögern, ebenso wie er ihren Anblick
vermied. „Du hast gekämpft wie eine zornige Vila. Scheinbar bringen Fürstinnen
ihren Töchtern auch nützliche Dinge bei.“
Es gelang ihr
zu lächeln. „Mehr nützliche Dinge, als du denkst.
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