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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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verabschieden!“ Ihre Worte klangen wie ein
vernichtendes Urteil. Libussa erfasste ein leichter Schwindel. Kveta war immer
eine nachsichtige Erzieherin gewesen.
    „Was ist
vorgefallen?“, flüsterte sie, „Kazi wusste, wo ich war. Hat sie nichts gesagt?“
Kveta seufzte und schwieg einen Moment.
    „Deine Mutter,
Kind“, sagte sie dann. „Sie bekam plötzlich hohes Fieber. Kazi kümmerte sich um
sie und ließ sogar einen Boten zu den Druiden schicken, die sich mit der
Heilkunst auskennen. Aber es ging alles so schnell.“
    „Es ging sehr
schnell“, unterbrach plötzlich eine tiefe, Libussa wohlbekannte Männerstimme.
„Unsere Fürstin starb schon nach wenigen Tagen, während ihre jüngste Tochter
sich heimlich davongemacht hatte, um in irgendeinem Dorf Bäuerin zu spielen.“
    Onkel Krok war
in kurzer Zeit deutlich hagerer geworden. Unter seinen Augen, die Libussa
zornig anfunkelten, lagen tiefe Schatten. Libussa erfasste ein Schwindel, und
der Raum begann sich zu drehen. Noch vor einem Moment, dachte sie verwirrt, war
ich glücklich. Jetzt blickte sie in einen Abgrund und wusste, dass sie im
Begriff war zu stürzen. Doch noch stand sie still und versteinert da wie die
Leute im Hof.
    „Lass gut sein,
Herr, es ist nicht zu ändern. Beschimpfe das Kind nicht.“ Kvetas Stimme klang,
als käme sie aus weiter Ferne.
    „Verlass den
Raum, das geht dich nichts an!“, herrschte Krok die alte Frau an. Libussa
fühlte Zorn in sich aufsteigen, das einzig starke Gefühl in ihrem Zustand der
Benommenheit. Kveta gehorchte ohne Widerspruch, und Libussa fragte sich, ob sie
verstehen konnte, dass allein der Kummer Krok so unleidlich werden ließ.
    In diesem
Moment kam der Schmerz. Ein unsichtbarer Speer durchbohrte ihren Unterleib, so
dass sie in die Knie sank. Plötzlich spürte sie jeden Kratzer an ihrem Körper,
als bestünde er nur aus blutenden Wunden. Erst als sie sich mit der Hand übers
Gesicht fuhr, bemerkte sie die Tränen auf ihren Wangen.
    „Komm jetzt
mit, Libussa.“ Die Stimme ihres Onkels war etwas sanfter geworden, aber sie
wusste, dass er ihr nicht so schnell verzeihen würde. „Du sollst noch von
deiner Mutter Abschied nehmen, zusammen mit deinen Schwestern. Morgen treffen
die Clans der anderen Stämme zur Beisetzung ein. Und ich muss noch wichtige
Dinge mit euch besprechen.“
    Sie ließ sich
von ihm in das Schlafgemach ihrer Mutter führen, wo ihre Schwestern bereits
saßen. Vor der Türe wartete noch weitere Verwandtschaft, Tanten, Nichten und
Neffen, doch Krok bat sie, sich noch zu gedulden. Selbst seine Bitten klangen
wie Befehle.
    Thetka
schluchzte laut vor sich hin. Sie gab sich sonst stets Mühe, als stark zu
gelten, und durch ihr Geschick beim Jagen hatte sie Eindruck auf so manchen
Krieger gemacht. Aber Unglück vermochte sie nicht ohne Wehklagen zu ertragen,
als protestierte sie so gegen die Götter, die ihr so etwas antaten. Kazis
Gesicht war sehr bleich unter dem pechschwarzen Haar. Sie starrte stumm auf den
leblosen Körper vor ihr und umklammerte den riesigen Hund an ihrer Seite.
Libussa staunte, dass Onkel Krok die Gegenwart von Tieren bei der Totenwache
erlaubte. Manchmal konnte er verständnisvoller sein, als man ihm zutraute. Kazi
schmiegte sich stets an ihre drei Gefährten, wenn das Leben ihr übel
mitspielte. „Der Trupp der Elenden“, meinte Thetka dann immer spöttisch, doch
jetzt war ihr nicht nach Scherzen zumute.
    Keinem Menschen
war Kazi je so nah gewesen wie ihren Tieren. Nur einmal hatte Libussa den Mut
gefunden, ihre Schwester nach dem Grund dafür zu fragen. Kazi hatte sie
staunend angesehen, als verstünde sie nicht, warum Libussa etwas so Offensichtliches
erklärt haben wollte.
    „Tiere sind
nicht so anstrengend wie Menschen.“
    Nun blickte
Kazi schweigend auf den toten Leib ihrer Mutter, bei der ihre Heilkünste
versagt hatten.
    „Hast du ihnen
gesagt, wo ich war?“, fragte Libussa.
    Kazi nickte kurz.
    „Ich musste es
tun, in dieser Lage. Aber ich hatte den Namen des Dorfes vergessen, sonst hätte
man nach dir geschickt.“
    Sie war nicht hier gewesen, als
ihre Mutter starb. Tränen schnürten Libussa die Kehle zu, denn das ganze Ausmaß
der leidvollen Ereignisse sickerte allmählich in ihr Bewusstsein. Sie zwang
sich, ihre Augen auf jene starre, bleiche Gestalt auf der Bettstatt zu richten,
die einmal die Fürstin der Tschechen und Hohe Priesterin aller Behaimen gewesen
war. Vor vielen Jahren hatte Libussa ein Kätzchen aufgezogen, doch eines
Morgens lag es

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