Die Träume der Libussa (German Edition)
einen Fürsten aus mir.“
Sie lachte. „Da
besteht nun wirklich keine Gefahr.“
2
Libussa verabschiedete sich von
Premysl und brach auf. Olga von den Lemuzi befahl der Heilerin selbst, ihr noch
einmal den Verband zu wechseln und ein schmerzstillendes Mittel zu
verabreichen. Libussa erhielt auch ein paar Beinkleider, die sie unter
Ludmillas Kleid anzog. Der Abschied von der Lemuzi-Fürstin fiel kühl aus. Ihre
Söhne reichten ihr bereitwillig die Hand, doch in Neklans Augen glaubte Libussa
auch einen Funken von Zorn zu erkennen. Als allerletzte schlich sich Ludmilla
herbei. Das Mädchen sah mit seiner schmächtigen Gestalt immer noch aus wie ein
Kind. Riesige Augen beherrschten das blasse Gesicht.
„Es ist schade,
dass ich keine Gelegenheit hatte, mit dir zu reden“, flüsterte Ludmilla.
Libussa fragte sich, ob sie Angst hatte, von ihrer Mutter gehört zu werden,
doch dann erinnerte sie sich, dass Ludmilla stets so leise sprach.
„Ich war nur
kurz hier. Aber wir sehen uns sicher bald in Chrasten.“ Ihr fiel ein, dass sie
auch dort selten mit Ludmilla geredet hatte. Nun drückte das Mädchen plötzlich
ihre Hand.
„Du sollst
wissen, dass mir leid tut, was geschehen ist.“
Wenigstens ein
Mitglied der Lemuzi-Familie schien es ehrlich zu meinen. Libussa lächelte
Ludmilla dankbar an, als sie sich in den Sattel schwang.
Der Ritt war
leichter als erwartet. Das Mittel der Heilerin entfaltete schnell seine
Wirkung, verstärkt durch die Freude, die Libussa über ihre Versöhnung mit
Premysl empfand. Erstaunt stellte sie fest, dass die Erinnerung an den
Schrecken im Wald bald verblasste. Stattdessen durchlebte sie im Geiste
nochmals ihre Begegnungen mit Premysl. Ob Kazi, die Heilerin, wusste, welch
erstaunliche Heilung das Glücksgefühl bewirken konnte?
Der Gedanke an
Kazi holte sie in die Wirklichkeit zurück. Sie musste mit ihrer Mutter
sprechen, sobald sich eine Gelegenheit ergab. Die Tschechen-Fürstin würde
sicher nicht begeistert sein, doch sie betonte stets, wie verkehrt es sei,
Frauen nach Art anderer Völker ihrer Freiheit zu berauben. Daher konnte sie ihr
eine eigene Wahl des Gefährten kaum verbieten. Thetka würde Witze reißen. „Sagt
dir der Geruch von Mist so sehr zu, dass du dich mit einem Bauern darin wälzen
musstest?“, hörte sie im Geiste bereits die spöttische Stimme ihrer Schwester.
Aber das Glücksgefühl schützte wie ein warmer Umhang im Winter vor allen
Gemeinheiten. Kazi und Premysl würde vielleicht ihre gemeinsame Liebe zu Tieren
verbinden. Bei ihrem Onkel war Libussa unschlüssig. Krok schätzte aufrechte,
ehrliche Menschen, so dass ihm an Premysl nichts missfallen dürfte, doch sein
strenger Glaube an die Traditionen würde vielleicht eine Mauer zwischen beiden
errichten. Libussa beschloss, den Dingen ihren Lauf zu lassen, denn niemand
sollte sie von Premysl trennen.
Als Chrasten, der große, von
einem steinernen Schutzwall umgebene Holzbau auf dem Gipfel des nächsten Hügels
auftauchte, hingen dunkle Wolken über dem Gebäude, als stünde ein schweres
Unwetter bevor. Der Himmel war finster und ließ die hölzernen Türme schwarz
wirken. Libussas hielt den Atem an, so beklemmend war ihre Vorahnung von
Unheil. Sie hatte Mühe, sich im Sattel zu halten.
„Das“, murmelte
sie verunsichert, „kann nicht nur die Angst vor meiner Mutter sein.“
Als sich das
Tor öffnete, bemerkte sie, wie die Wächter ihre Gesichter verlegen abwandten.
Die Stille im Hof war unheimlich. Wo steckten die Mägde, die hier sonst lachend
und schnatternd miteinander die Arbeit verrichteten? Selbst das Fluchen eines
Knechts, dem im Hof gerade ein Ferkel entwischt war, hätte sie im Augenblick
erleichtert. Doch alle, die dort sonst eifrig Eimer schleppten, Holz hackten
oder geschlachtetes Vieh in die Küche trugen, schienen nun bei ihrem Anblick
wie versteinert. Warum senkte jeder, den sie traf, den Blick? Nur deshalb, weil
sie ein paar Tage ohne Erklärung verschwunden gewesen war? Ihre Verwundungen
waren unter dem Kleid verborgen. Als sie das große Gebäude betrat, wo ihre
Familie wohnte, begegnete ihr Kveta, die Kindsmagd aller drei Mädchen. Die Alte
wich ihrem Blick nicht aus, sondern musterte Libussa mit einem stummen Vorwurf
in den Augen.
„Wo bist du so
lange gewesen?“
„Ich war fort.
Etwas Dringendes, das ich erledigen musste.“
Zwischen Kvetas
Brauen erschien eine tiefe Falte. „Du verschwindest einfach so, ohne jemandem
etwas zu sagen! Ohne dich zu
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