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Die Träume der Libussa (German Edition)

Die Träume der Libussa (German Edition)

Titel: Die Träume der Libussa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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versprach der Aufforderung zu folgen. Sie wagte nicht, genauer nach dieser
mysteriösen Kunst des Schreibens zu fragen, um ihre Mutter nicht zornig zu
machen. Aber lange hatte sie herumgerätselt, wie man wohl Worte durch Kratzen
ausdrücken konnte.
    Nun fragte sie
sich, warum ihre Mutter solche Dinge mit ihr besprochen hatte und nicht mit
Thetka, die ihr viel näher stand. Vielleicht hatte sie es nicht für nötig befunden,
ihre Lieblingstochter zu belehren.
     
    „Ich muss mit euch reden.“ Onkel
Kroks Stimme zerriss die andächtige Stille. „Ich weiß, es kommt vielleicht
ungelegen, aber die Zeit drängt.“
    Sie folgten ihn
in dem Nebenraum. Libussa gab sich große Mühe, nicht zu hinken. Die Wirkung des
Schmerzmittels war vorbei und ihr Bein brannte wie Feuer. Es schien ihr jetzt
aber nicht angebracht, von ihren Verwundungen zu berichten.
    Thetkas
Schluchzen verstummte, denn sie fürchtete die Ungeduld ihres Onkels. Alle drei
ließen sich auf einer Holzbank nieder.
    „Eure Mutter
ist tot und wir brauchen eine Nachfolgerin. Wie ihr wisst, fällt mir die
Pflicht zu, sie auszuwählen. Morgen schon, noch vor der Bestattung, werde ich
vor dem Volk meine Wahl der Hohen Priesterin verkünden und Boten zu den
fürstlichen Clans der anderen Stämme schicken. In dieser Rolle ist unsere
Fürstin sehr wichtig für alle Behaimen, denn ihre Person schafft Zusammenhalt.
Es wäre unklug, lange mit der Ernennung zu warten. Nun, ich habe überlegt und
mich beraten lassen. Jetzt ist meine Entscheidung gefallen.“
    Libussa lehnte
sich erleichtert zurück. Nur das also war es! Sie wusste, welchen Namen der
Onkel jetzt nennen würde, und fragte sich nur, ob Thetka nicht eine
unerträglich herrschsüchtige Fürstin sein würde. Für die Rolle der Hohen
Priesterin konnte sie sicher ebenso wenig Begeisterung aufbringen wie ihre
Mutter.
     
    Kurz darauf stand sie wie eine
Schlafwandlerin inmitten ihrer zahllosen Verwandtschaft und hörte die
Klagelieder kaum. Zum zweiten Mal an diesem Tag war das Leben ihren Erwartungen
entglitten, und sie drückte sich ihre Nägel in die Handflächen, um sicher zu
sein, dass sie nicht träumte.
    „Es tut mir
leid, Thetka. Ich wollte das nicht“, flüsterte sie ihrer Schwester zu, die
immer noch stumm vor Zorn neben ihr stand. Kazis Gesicht hingegen hatte sich
entspannt, sie war sichtlich froh, vor der unerwünschten Verantwortung
verschont zu bleiben.
    „Libussa!“,
hatte Onkel Krok gesagt. Laut und deutlich, so dass sie sich nicht einreden
konnte, ihn falsch verstanden zu haben. Dann berichtete er von seinem Besuch
bei der keltischen Priesterin, die ihn beraten hatte. Und dass er mit seiner
Wahl dem Wunsch der großen Göttin folgte. Mokosch, die Mutter Moranas, hatte
bestimmt, dass Libussa zur Nachfolgerin der verstorbenen Hohen Priesterin
wurde, zur Nachfolgerin jener Frau, in deren Augen sie stets unvollkommen
gewesen war.
    „Ich glaube
nicht, dass dies der Wunsch unserer Mutter gewesen wäre, Onkel“, sagte Libussa
verwirrt und nahm Thetkas energisches Nicken zur Kenntnis.
    Krok räusperte
sich und schwieg eine Weile. Libussa ahnte, dass er ihrer Meinung war, doch
beschlossen hatte, sich Wünschen zu fügen, die er nicht verstand.
    „Eure Mutter“,
sagte er schließlich, „erfüllte ihre Aufgabe so gut wie sie konnte. Sie hatte
Stärken, aber wohl auch Schwächen. Es ist der Wille der Götter, dass ihre
Nachfolgerin von einer anderen Art sein soll. Auch wenn wir es nicht begreifen,
müssen wir alle uns fügen.“
    Thetka
schnaubte und fuhr herum. „Diesen Unsinn verstehe ich nicht!“, rief sie und
wollte aus dem Raum eilen. „Libussa ist der Liebling dieser Keltin und wurde
deshalb bevorzugt, das ist alles!“
    „Bleib!“,
donnerte die Stimme des Stammesführers. „Wir alle müssen uns fügen. Auch du. Es
ist unrecht und anmaßend von dir, einer weisen Frau Voreingenommenheit zu
unterstellen. Nimm die göttliche Entscheidung an. Das ist deine Pflicht.“
    Thetka
gehorchte, auch wenn ihr Gesicht sich vor Widerwillen verzog. Sie schien
angespannt wie ein Raubtier, das auf die Gelegenheit zum Angriff wartet.
    „Morgen werde
ich also die Wahl verkünden“, fuhr Krok fort. „Wenn deine Mutter bestattet
wird, musst du bereits die Rolle der Hohen Priesterin einnehmen, Libussa. Die
Schamanen werden dich die Gebetssprüche lehren. Die restlichen Aufgaben erkläre
ich dir anschließend selbst.“
    Der Rest des
Tages zog an Libussa vorbei, ohne irgendwelche Eindrücke zu hinterlassen.

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