Die Träume der Libussa (German Edition)
verblüfft. Aus Premysls Blick war jeder
Spott verschwunden, er betrachtete Libussa mit weit aufgerissenen Augen, als
sei ihm ein Geist erschienen. Sie streckte ihm ihre Hand entgegen und spürte
erleichtert das Kratzen der seinen. Ein kleines Grüppchen von Kelten mit
bemalten Gesichtern schob sich durch die Menschenmenge und legte ehrfürchtig
eine Holztruhe zu ihren Füßen nieder. Die übrigen Anwesenden nahmen dies zum
Anlass, ebenfalls ihre Geschenke zu überreichen. Sie wiederholte murmelnd Worte
des Dankes. Die Umgebung war unwirklich geworden, wie in einen Nebel getaucht.
Leuchtende Helligkeit umgab sie, als sei sie der Sonne näher gekommen. Das
Ritual war kein Betrug, wie sie in diesem Augenblick begriff.
Der wollene Umhang lag neben
ihren Fellen in der Ecke des Raumes. Libussa nahm erleichtert den schweren
Silberschmuck von ihren Ohren ab, um ihn gemeinsam mit den Ketten in der
Schmuckschatulle zu verstauen. Dann hörte sie, wie Premysl ihren Namen flüsterte.
Sie drehte sich um. Jetzt, da sie endlich allein waren, fühlte sie sich auf
einmal befangen. Auch Premysl, der sich nachdenklich die Augen rieb, wirkte
etwas verloren. In seiner verzierten Tunika und den Biberfellen schien er sich
sichtlich unwohl zu fühlen.
„Diese
Sache mit dem Strauch“, begann er unerwartet. „Ich … ich dachte zunächst, er
wäre schon vorher dagewesen und mir einfach nicht aufgefallen. Was der Schamane
erzählte, schien mir lächerlich, so wie diese ganze Zeremonie. Doch als du dann
alles beschrieben hast, obwohl du es nicht wissen konntest … Mir fiel wieder
ein, dass einige Zweige verdorrten und … und ich weiß nicht, was es bedeutet
und ob es nicht ein schlechtes Zeichen ist. Abgesehen davon, dass ich nicht an
Zeichen glaube.“
Es
enttäuschte Libussa ein wenig, dass er sich in diesem lang herbeigesehnten
Augenblick den Kopf über die Bedeutung der Zeichen zerbrach, doch Premysl
machte einen derart verstörten Eindruck, dass ihr Unmut schwand.
„Ich
weiß auch nicht, was es bedeutet“, gab sie zu. „Vieles von dem, was ich sehe,
verstehe ich erst später und manchmal nie. Doch es war der Wille der Götter,
dass wir zusammenkommen. Etwas wird aus unserer Vereinigung entstehen, Gutes
und vielleicht auch Schlechtes, doch daran können wir nichts ändern.“
Sie
setzte sich neben ihn auf die Bettstatt und bemerkte erleichtert das glückliche
Funkeln in seinen Augen.
„Ich
habe oft an dich gedacht, mein Mädchen ohne Namen. Ich wusste bereits, dass du
eine Fürstentochter bist. Doch nun scheint es, dass meine Gefährtin auch
seherische Fähigkeiten hat.“
Seine
Hand strich zaghaft über ihren Arm. Libussa rückte näher an ihr heran.
„Stören
dich diese Fähigkeiten?“, murmelte sie. Er lächelte.
„Nun,
ich kann wohl keine Geheimnisse vor dir haben. Aber das hatte ich auch nicht
vor.“ Dann schlang er seine Arme um ihren Körper und zog sie an sich.
„Dieser Stoff
fühlt sich unter meinen Händen wie Wasser an“, sagte er. „So weich gleitet er
einem durch die Finger.“
„Es ist Seide.“
Nun, in der Nähe einer Feuerstelle, fühlte sich Libussa wohl in dem Kleid,
obwohl sie darin auf dem Gerüst jämmerlich gefroren hatte. „Onkel Krok brachte
den Stoff vor vielen Jahren meiner Mutter mit. Bei einer seiner Reisen half er
einem kleinen Händler mit schräg stehenden Augen im Kampf gegen Räuber. Die
Seide erhielt er zum Dank dafür als Geschenk. Angeblich ist sie sehr wertvoll.
Reiche Leute in weit entfernten Ländern tragen Gewänder aus Seide. Meine Mutter
hatte nichts für solche Kostbarkeiten übrig. Doch ich wollte schön sein für
diesen Anlass ... für ... für ... dich natürlich.“
Es war ihr
plötzlich unangenehm, diese Worte auszusprechen. Nach der langen Zeit, die sie
voneinander getrennt waren, schien die plötzliche Nähe verwirrend. Sie hatte
von ihm geträumt, aber niemals ihr gemeinsames Leben klar vor sich gesehen.
Wünschte er wirklich, als Gefährte einer Fürstin in Chrasten zu wohnen?
„Premysl“,
begann sie zögernd. „Ich weiß, Kazi sagte dir, dass ich in einer Notlage war.
Die Fürstensöhne wollten Kroks lange Abwesenheit nutzen, um mich zu einer
Verbindung mit Slavonik zu zwingen. Bist du nur gekommen, um mir zu helfen?
Wenn es dir hier nicht gefällt, dann kannst du natürlich in deinem Dorf leben
und wir werden uns gelegentlich sehen, aber … aber ich hätte dich natürlich lieber
hier an meiner Seite.“
Kaum hatte sie
den
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