Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
dabei gestört habe.« Gemma wartete. »Jetzt bist du wieder dran mit einer gallanten Bemerkung«, erklärte sie. Als Arden immer noch nichts erwiderte, fragte sie ihn: »Was denkst du?«
»Nicht viel«, antwortete er und hob den Kopf. Seine grünen Augen hatten etwas ungewöhnlich Feierliches. Als er Gemmas fragendes Gesicht sah, fügte er hinzu: »Ich gehe nach Great Newport, um mich für das Tal einzusetzen.« Er unterbrach sich, fuhr aber fort, als er merkte, dass dies als Erklärung wohl kaum genügte. »Newport ist die Bezirkshauptstadt, dort konzentriert sich alles Geld und alle Macht. Und die Politiker.« Der Ekel war seiner Stimme anzumerken. »Das Tal hat jetzt vier Jahre lang kein Wasser mehr bekommen. Wenn die Leute dort nicht bald welches erhalten, werden sie es entweder verlassen müssen oder sie bleiben dort und sterben. Ich will versuchen, etwas dagegen zu unternehmen.«
»Das Tal ist dein Zuhause?«
»Nein. Ich habe kein Zuhause.«
Gemma reagierte nicht darauf. »Und wieso bist du dann deren Botschafter?«
»Weil sie nicht selber gehen können, und weil sie mir vertrauen. Mir fällt das Reisen leicht, für sie jedoch ist es etwas Abscheuliches, und irgendjemand muss nun einmal gehen. Außerdem bezahlen sie mich dafür.«
»Du lässt dich von ihnen bezahlen?«
»Aber ja. Ich muss schließlich leben.«
»Tolle humanitäre Motive.«
Arden ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Wenn ich Erfolg habe, wird ihnen das sehr viel mehr wert sein als jeder Geldbetrag, und wenn nicht, dann nützt ihnen das Geld ohnehin nichts mehr«, meinte er fest.
»Aber du kannst es dann ausgeben!«
»Sowas soll es schon gegeben haben.« Er musste lachen. »Ist das so fürchterlich?«
Gemma musste widerstrebend anerkennen, dass er damit nicht ganz unrecht hatte.
»Wofür willst du es ausgeben?« fragte sie.
»Für Tanzmädchen, belavasischen Wein und für ein Paar neue Ohrringe«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Neue Ohrringe! Für dich?«
»Nein. Für dich. Deine sehen fürchterlich aus.«
8 . KAPITEL
Zwei Tage später bauten Arden und Gemma bei Tagesanbruch ihr Lager ab und machten sich auf den Weg nach Great Newport, entschlossen, die relative Kühle des frühen Morgens zu nutzen. Gemma war nervös, sie fürchtete einen Sturz auf dem harten Boden, der so weit unter ihr zu sein schien, doch Lark und Mischa bewegten sich mit dem gemessenen Schritt des geübten Reisetieres, und wenig später hatte sie sich an die stete Bewegung gewöhnt. Trotz ihrer Schwäche gelang es ihr bald, sich zu entspannen. Arden ritt neben ihr; er war im Sattel offensichtlich zu Hause.
»Erzähl mir von dem Tal«, sagte Gemma, nachdem sie drei Meilen schweigend geritten waren.
»Das kann ich nicht«, erwiderte Arden. »Du musst es selbst sehen.«
»Ist es so außergewöhnlich?«
»Ja.«
Sie wartete auf eine Erklärung, dann versuchte es Gemma noch einmal.
»So außergewöhnlich, dass du es nicht beschreiben kannst?«
»Darüber scherzt man nicht!« fuhr Arden sie an und starrte wütend auf den Horizont vor ihnen. Sein Ton und sein Gesichtsausdruck waren so verbittert, dass Gemma erschrocken schwieg, und für eine Weile war das einzige Geräusch das Stapfen der Pferdehufe auf dem ausgetrockneten Boden.
»Tut mir leid ...« setzten beide gleichzeitig an und drehten sich um und sahen sich an. Nach einem Augenblick der Unsicherheit fing Arden an zu grinsen, und Gemma erwiderte sein Lächeln mit einem erleichterten Schmunzeln.
»Ich wollte mich nicht in deine Angelegenheiten mischen«, sagte sie ruhig. »Du liebst das Tal sehr, habe ich recht?«
»Ja, ich glaube schon«, antwortete ihr Führer nachdenklich, und fügte dann hinzu: »Ich hatte nicht die Absicht, dich vor den Kopf zu stoßen.« Nach einer weiteren Pause fuhr er fort. »Es ist wirklich schwer zu beschreiben. Nicht nur, weil es dort so schön ist - oder besser, war. Es ist die Atmosphäre dort, die Stimmung.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er seine Gedanken dadurch klären. »Normalerweise rede ich nicht so ein unzusammenhängendes Zeug.«
Gemma spürte Ardens Verärgerung und konnte nicht anders, sie musste ihn ein wenig aufziehen. »Nicht einmal nach ein oder zwei Flaschen belavasischen Weins?«
»Vielleicht nach dreien«, antwortete er mit einem Grinsen. »Und dann würde sich mein Verstand wahrscheinlich auf Dringlicheres konzentrieren.«
»Die Tanzmädchen?«
»Schon möglich. Höre ich da vielleicht Missbilligung heraus?« fragte er und hob
Weitere Kostenlose Bücher