Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
dachte Gemma, während Elyse ihren Text weiterleierte. Vielleicht wollen sie es gar nicht merken. Dann kam ihr ein Gedanke, der noch widerwärtiger war als der erste. Vielleicht haben sie es nicht nötig. Wenn sie ständig unter Drogen stand und willig war ...
Die Vorstellung, jemand könnte für immer in einen solchen Zustand versetzt werden, begann ihr Angst zu machen. Sie würde alles tun, um einem solchen Schicksal zu entgehen.
Alles?
Sie drehte sich um und betrachtete Ziv. Die Bewegung rief die verwirrenden schwarzen Wirbel zurück in ihr Bewusstsein. Sie erschrak und versuchte verzweifelt, nicht wieder darin zu versinken. Ihr Wächter war zu sehr vom Geschehen auf der Bühne in Anspruch genommen und bemerkte nichts. Sein Blick war entrückt, sein Gesicht mit einer Schweißschicht bedeckt.
»Jetzt fängt es erst richtig an«, sagte er leise.
Gemma drehte sich langsam um und konzentrierte sich wieder auf die Bühne. Elyse hatte aufgehört zu sprechen. Die Einzelheiten ihrer intimen Talente waren erschöpft.
»Gentlemen«, verkündete Mendle. »Wir werden Ihre wertvolle Zeit nicht länger vergeuden. Die Auktion wird sofort beginnen.«
Ein paar Missfallenskundgebungen aus dem Publikum waren rasch niedergezischt.
»Manchmal versteigert er erst ein paar ihrer Kleidungsstücke«, erklärte Ziv im Flüsterton. Er wirkte enttäuscht.
»Beginnen wir bei zweihundert«, fuhr Mendle fort. »Vielen Dank, Sir.«
Anfangs ging das Bieten recht flott, und jedesmal, wenn es nachzulassen drohte, machte Mendle ein paar schlüpfrige Bemerkungen darüber, wie begehrenswert Elyse war. Er war ein gewiefter und überzeugender Verkäufer. Als er schließlich »Verkauft!« rief und mit der Hand auf das Podium schlug, war der Preis bis auf 655 Taler geklettert - mehr als die meisten Männer in Newport in fünf Jahren verdienten. Elyses Wächter führte sie jetzt zu einer hinteren Ecke der Bühne, um sich mit ihrem neuen Besitzer abzusprechen. Morgen früh wirst du wissen, wo du bist, dachte Gemma mit Schaudern. Wieder ertönte der Gong, jetzt viel lauter. Hinter Gemmas Augen brach ein Feuer aus.
»Endlich kommen wir zu dem Augenblick, auf den Sie alle gewartet haben.« Mendle strahlte vor Vergnügen. »Es ist ein ganz besonderer Augenblick, wie ich Ihnen versprochen habe, denn heute Abend bietet sich eine einzigartige Gelegenheit, wie noch nie zuvor auf diesem Kontinent« Er machte eine dramatische Pause. »Die Gelegenheit, eine weiße Hexe von den nördlichen Inseln zu ersteigern.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille, gefolgt von überraschtem Gemurmel. Mendle hatte jetzt ihre ganze Aufmerksamkeit.
Das Feuer griff um sich. Flammen und Rauch krochen in ihren Verstand. Spricht er etwa von mir?
»Sie ist wunderschön«, fuhr der Auktionator fort. »Helle Haut, Haar wie Feuer, ein Körper ...«
»Und wo bleibt sie?« brüllte besoffen eine gierige Stimme.
»Geduld, Gentlemen. Wie Sie sehr bald sehen werden, besitzt sie all die körperlichen Eigenschaften, die sich ein Mann nur wünschen kann, aber das stellt erst ein Zehntel ihres wahren Wertes dar. Denn sie besitzt Geheimnisse, Kräfte, die selbst meine Beschreibungsfähigkeiten übersteigen. Der Mann, der sie bezähmt, wird wahrhaft gesegnet sein.
Bislang war es nur ein Mythos. Reisende haben uns von den Rätseln der lange verloren geglaubten nördlichen Inseln erzählt. Doch die meisten von ihnen waren unzuverlässig - Wahnsinnige, die starben oder flohen, bevor wir mehr als nur Halbwahrheiten von ihnen in Erfahrung bringen konnten. Und doch wissen wir, dass ihre Göttinnen als strahlende Frauen auf die Welt kommen, als Hexen mit flammendem Haar, die einen Mann durch raffinierte Anwendung ihres erotischen Geschicks zu neuen Höhepunkten der Lust treiben können.«
Mendle hatte seinen Spaß. Schon die Worte schienen ihn zu erregen. Sein bleiches Gesicht glänzte schweißnass, und seine Augen glühten strahlender als die vielen Lampen, die ihn von oben und unten beleuchteten.
Gemmas Verstand kapitulierte vor dem Brand. Wie kann er erwarten, dass ich seinen Ankündigungen entspreche? fragte sie sich und hörte auf zu denken.
»Gentlemen, ich präsentiere Ihnen die Rose des Nordens!« Mendle breitete die Arme aus, als wollte er jemanden begrüßen.
»Los!« drängte Ziv. »Und lass dich von nichts überraschen.« Er versetzte ihr einen Stoß, aber der wäre gar nicht nötig gewesen. Ihr Körper bewegte sich wie von selbst. Sie hatte ihn einfach nicht mehr in der
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