Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
Vom Netzwerk:
Mitleid in Verbindung mit den Vorteilen, die aus dem Kontakt zu einer solch bemerkenswerten Gesellschaft erwachsen, eine Expedition nicht nur als gerechtfertigt, sondern auch als klug und lohnend erscheinen lässt. Nach Ansicht der Blauen wäre es ein törichtes Unterfangen mit geringen Aussichten auf Erfolg und ohne Hoffnung auf irgendeine Gegenleistung, weshalb man den Vorschlag fallenlassen sollte. Wie entscheiden Sie, Mylords?« Er nahm seinen Platz wieder ein und sah gelangweilt aus wie immer.
    Tolle Inspiration, dachte Gemma bitter und war erschrocken darüber, dass das Schicksal vieler Menschen auf so wenige, unpersönliche Worte reduziert worden war.
    Zu Gemmas Überraschung erhob Lunkett sich. Sie hatte erwartet, dass er sein Urteil als letzter abgeben würde. Nach der plötzlichen Aufregung ringsum zu urteilen, waren andere auf der Gallerie ebenso überrascht.
    »Als Oberlord von Great Newport nehme ich mir das Recht, meinen Stein als erster zu platzieren.« Seine Stimme füllte den Gerichtssaal, in dem es still geworden war. »Ich trage die Verantwortung für alle meine Untertanen, auch für jene, die so weit entfernt leben.« Gemmas Hoffnung stieg. »Doch Mitleid muss sich mit Vernunft mischen.« Und sank. Wie wird er entscheiden? Lunkett fuhr fort. »Auch, dass wir durch den Austausch mit ihnen gewinnen, ist eine wichtige Überlegung. Doch das ist reine Spekulation. Meine Pflicht gegenüber der Gerechtigkeit ist folgende Entscheidung.«
    In der atemlosen Stille, die daraufhin folgte, beugte er sich vor, nahm sein steinernes Gebilde zur Hand und legte es auf die orangenfarbene Seite der Waagschale. Ardens Seite.
    Die Waagschale neigte sich deutlich. Gemmas Herz machte einen Sprung, und überall ringsum entstand überraschtes Gemurmel. Einige verließen hastig den Saal. Offenbar haben sich die Gewinnchancen deutlich verändert, jubelte Gemma innerlich. Vermutlich müssten jetzt alle vier verbliebenen Richter einstimmig gegen die Eingabe stimmen - gegen ihren Oberlord - um Ardens Anliegen abzuweisen.
    Geschafft! jubelte Gemma. Wir haben gewonnen!
    Überall im Gericht waren Diskussionen ausgebrochen, und es war schwierig, die Worte des zweiten Richters zu verstehen. Zu Gemmas Überraschung stimmte er gegen die Eingabe, trotzdem ließ ihre Euphorie nicht nach. Doch als auch der nächste Richter sein Gewicht gegen Arden geltend machte, begann sie leise Zweifel zu hegen. Sie würden doch bestimmt nicht ...
    Als der vierte grüngewandete Mann sich erhob, war es im Gerichtssaal etwas ruhiger geworden, und man konnte verstehen, was er sagte. Er beschränkte sich auf eine offizielle Formel.
    »Das Urteil von Holda lautet wie folgt.«
    Sein steinernes Emblem wurde auf die blaue Seite der Waage gelegt, die sich jetzt nur noch minimal auf Ardens Seite neigte.
    Gemma war fassungslos. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Nach all der Diskussion wäre es zu grausam zu verlieren. Wieder einmal hing das Schicksal des Tals von dem allerletzten Richter ab. Er konnte sie jetzt doch nicht einfach verdammen. Ausgeschlossen ...
    Im Gericht war es still geworden. Die Folgen und möglichen Gründe für diese Rebellion gegen den Oberlord der Gilde boten ebenso Anlass zur Sorge wie der Ausgang der Verhandlung selbst. Als der letzte Richter sich erhob, waren alle Augen auf ihn gerichtet.
    »Harte Entscheidungen verlangen nach harter Logik«, sagte er langsam. »Aus diesem Grund entscheidet sich Pearle wie folgt.«
    Gemma verfolgte gebannt und mit offenem Mund, wie die vierte Tafel gegen die Eingabe in die Waagschale gelegt wurde. Langsam, unaufhaltsam, neigte sich die Schale. Zum erstenmal hatten die Blauen das Übergewicht.
    Im Saal brach ein Tumult los. Inmitten der plötzlichen Aufregung erhob sich der Sprecher und verkündete, dass die Blauen gesiegt hätten und die Eingabe daher abgelehnt worden sei. Dann erhob sich Lunkett und sprach zum Gericht.
    »Die Entscheidung macht mich traurig«, sagte er, »doch ich muss das Urteil des Gerichts akzeptieren. Alle sollen sehen, dass sich der Oberlord von Great Newport der Gerechtigkeit nicht in den Weg stellt. Die Eingabe ist abgelehnt. Die Verhandlung ist geschlossen.«
    Er hatte kaum geendet, als sich jemand anderes Gehör verschaffte.
    »Nein!« kreischte Gemma und sprang auf. »Nein!« Sie kochte vor Wut, die Verzweiflung verlieh ihr Kraft. Am liebsten hätte sie diese verräterische Waage zerschlagen, genau wie diese selbstgerechten Männer, die dem Tal das Überleben verweigerten.

Weitere Kostenlose Bücher