Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
Königreich?« fragte Wynut.
»Was? Er war dort?« Shantis Ausruf hinderte Arden daran, die Frage selber zu beantworten. Die beiden Zauberer starrten ihn durchdringend an, und er bekam das unheimliche Gefühl, dass sie in seinen Verstand vordrangen, seine Vergangenheit aufdeckten, seine Geheimnisse. Er fühlte sich nackt und hatte Angst.
Eine Ewigkeit - so schien es - verging schweigend. Schließlich hielt Arden es nicht länger aus.
»Ihr wolltet mir gerade sagen ...« setzte er an.
»Schweig«, befahl Wynut und hob gebieterisch die Hand. »Das schadet unserer Wahrnehmung, und es könnte auch deinen Freunden schaden.«
Shanti setzte eine finstere Miene auf, als er Ardens offenkundige Verwirrung sah.
»Sag es ihm einfach«, meinte er knapp. »Je schneller wir weitermachen können, desto besser. Diese Gegend macht mich nervös.«
»Also schön«, begann Wynut, der froh war, endlich das Einverständnis seines Kollegen zu haben. Seine Augen funkelten begeistert im dunklen Schatten seines lächerlichen Hutes. »Ich habe seit unserer letzten Begegnung ein paar Nachforschungen angestellt.«
Shanti schnaubte verächtlich. »Ein paar?« stieß er hervor. »Du hast dich mindestens zwei Jahrzehnte lang mit deinen Büchern eingeschlossen.«
Wynut brachte ihn mit einem Seitenblick zum Schweigen.
»Es steht uns nicht an, die Geschehnisse der Welt zu verändern«, fuhr er fort. »Die Gefahren dabei wären vielfältig.«
»Und offenkundig«, warf Shanti ein, dann wandte er sich wieder seiner Lektüre zu.
»Dennoch haben wir uns entschieden, ein gewisses Risiko einzugehen, in der Hoffnung, dass du und deine Gefährten sich unseres Vertrauens würdig erweisen.« Wynut hielt inne. »Vermutlich wirst du dich wundern, warum wir eine solche Entscheidung getroffen haben.«
Arden nickte, schwieg jedoch nach wie vor. Dies war bestimmt nicht die drängendste Frage, die ihn im Augenblick beschäftigte, doch das sagte er nicht.
»Das braucht er nicht zu wissen!« fauchte Shanti.
»Wir gehen dieses Risiko ein, um die Magie zu retten«, fuhr Wynut fort. »Magie ist unser Leben, wir verkörpern sie, sind ein Teil von ihr. Als sie starb, wurden wir und all dies ringsum« - er machte eine ausholende Handbewegung, als wollte er auf die Villa und die Stadt draußen verweisen - »auf ewig zu einer Anomalie. Da der Traum dergleichen nicht zulässt, wurden wir ausgestoßen, isoliert und dadurch bedeutungslos. Das ist ein hartes Los.« »Was hat denn deiner Meinung nach die Stadt in die Luft gehoben?« fügte Shanti sarkastisch hinzu. »Der Wind vielleicht?«
Aber Gemma ist sicher, dass die Magie nicht gestorben ist, überlegte Arden. Er war zu verwirrt, um darüber nachzudenken.
»Was sollen wir eurer Ansicht nach tun?« fragte er ruhig und hatte endlich seine Sprache wiedergefunden.
»Rette die Magie«, kam sofort Wynuts Antwort, »und bringe uns dadurch in die Welt zurück.«
38 . KAPITEL
»Ihr wollt, dass ich ...«, begann Arden.
»Sei still!« Shantis gebieterisches Kommando schnitt dem verblüfften Arden das Wort ab.
»Wie ich sehe, bist du skeptisch«, meinte Wynut ruhig. »Aber du hast gewiss genug gesehen, um wenigstens über den Vorschlag nachzudenken. Deine Begleiter sind dabei sehr wichtig. Gemma, wie du sie nennst, verkörpert die geringfügige Magie, die in deiner Welt noch vorhanden ist. Sie ist die gegenwärtige Schlüsselfigur, der Punkt, in dem alle Linien zusammenlaufen. Die andere, Mallory, steht für die Zukunft. Die beiden sind entscheidend, so viel steht fest.«
»Ihr Einfluss kann sich jedoch gut oder schlecht auswirken«, warf Shanti ein.
»In den beiden steckt nichts Böses«, protestierte Arden.
»Ruhe!« donnerte Shanti. »Habe ich das behauptet? Hörst du eigentlich niemals zu?« Er hatte sich von seinem Platz erhoben und bebte vor Zorn.
»Es scheint unvernünftig, unserem Gast Fragen zu stellen, und ihm gleichzeitig zu verbieten, sie zu beantworten«, kommentierte Wynut seelenruhig.
Shanti sank in seinen Sessel zurück.
»Die Verästelungen der Zeit sind endlos«, erklärte Wynut, wieder an Arden gewandt. »In ihnen ist alles möglich. Alles.« Er hielt inne, um Arden Zeit zu geben, darüber nachzudenken.
»Komm zur Sache«, meinte Shanti matt, und ausnahmsweise war Arden mit ihm einer Meinung.
»Die Verästelungen sind endlos«, fuhr Wynut fort, »doch gewisse Punkte auf dem Weg haben eine besondere Bedeutung. >Die Wendepunkte der Geschichte<, wie es unsere schwülstigeren Chronisten genannt
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