Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
erregenden Fontäne aus Blut und abgetrennten Gliedmaßen tot oder sterbend zu Boden. Die Menge der Verfolger sah schweigend zu, wie sie krepierten.
Im Hauptquartier des Untergrunds ließ Paule sich in einen Sessel fallen. Er und Hewe hatten zwei Tage und zwei Nächte nicht geschlafen, und sie waren beide völlig erschöpft. Sie hatten scheußliche Szenen gesehen, waren dabei abgestumpft und daher außerstande, in den Jubel einzustimmen, der auf einigen Plätzen ausgebrochen war. Der Feind, den sie so lange hatten besiegen wollen, war tatsächlich vernichtend geschlagen, doch um einen Preis, der einfach nicht hingenommen werden konnte. Die Gilde existierte nicht mehr, doch jetzt sahen sie sich vor der schweren Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das, was an ihre Stelle trat, nicht schlimmer wurde.
Über all dem ragte der Turm in die Höhe. Die Gilde war vielleicht zerstört, doch der namenlose Oberlord existierte noch, und er brauchte den Schutz der mächtigen Männer Newports nicht mehr - und auch nicht deren Soldaten.
»Es ist zu spät«, sagte Paule niedergeschlagen. »Was immer wir jetzt tun, darauf gibt es keine Antwort.
Hewe wusste, dass er auf den Turm anspielte. »Der wahre Feind«, gab er Paule murmelnd recht.
»Ich brauche dringend Schlaf«, stieß Paule hervor.
»Ich auch.«
Die beiden Männer streckten sich auf dem Fußboden aus, und Augenblicke später war das einzige Geräusch im Raum ihr Schnarchen.
Drei Stunden später wurde sie gleichzeitig geweckt und waren überzeugt, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorstand.
37 . KAPITEL
Arden hatte das Tal wenige Stunden nach seiner Vision von Gemma und dem Mann in der furchteinflößenden Metallmaske verlassen. Mallory und Kragen hatten versucht, ihn zu überreden, noch etwas zu bleiben, um sich zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen, doch er war hartnäckig geblieben. Die Gewissheit, dass Gemma ernsthaft in Gefahr war, und seine Niedergeschlagenheit darüber, bereits so viel Zeit verloren zu haben, hatte ihn in seinem Entschluss, so schnell wie menschenmöglich nach Great Newport zurückzukehren, nur noch bestärkt.
Kris war aufgebrochen, nachdem er - in seiner Zeichen sprache - erklärt hatte, er hätte die gleiche Vision erlebt. Woher sie stammte oder was sie bedeutete, wusste er nicht. Zum ersten Mal jedoch war er beim Verlassen von Mallorys Haus weniger glücklich als bei seiner Ankunft. Die Entwicklung der Ereignisse hatte den kleinen gebeugten Mann offenbar stark verwirrt, was wiederum alle anderen besorgt stimmte.
Ardens Pferd war für eine Reise immer noch viel, zu erschöpft, daher borgte Kragen ihm zwei seiner Tiere.
»Ich kann mir anderswo welche ausleihen, wenn es nötig sein sollte«, erklärte er, und Arden nahm sie dankbar an. Mit einem zweiten Tier würde er wesentlich schneller reisen können.
»Ich würde dich gerne begleiten«, sagte Mallory, als er sich zum Aufbruch bereit machte, »aber ...« Sie tätschelte ihren Bauch, dem man bereits deutlich die Schwangerschaft ansah. »Denk daran, Hewe an sein Versprechen zu erinnern, Gemma bis zur Geburt ihrer Namensvetterin wieder hierherzubringen.«
»Ich werde sie selber herbringen«, erwiderte er. Er lächelte seine Freundin an, doch in seiner Stimme klang grimmige Entschlossenheit mit.
Vier Tage später kam Arden immer noch gut voran, und die stämmigen Pferde brachten ihn immer näher an sein Ziel. Die Morgensonne schien schon warm auf seinen Rücken, als er entlang der Nordostgrenze der Diamantenwüste ritt. Schon bald würde er auf die große Küstenstraße stoßen, danach ginge es noch müheloser voran. Der direktere Weg hätte ihn geradewegs durch die Wüste geführt, diesmal jedoch verfügte Arden weder über die Ausrüstung noch die Vorräte für einen solchen Ritt. Unter anderen Umständen hätte er die Einsamkeit und Wildheit der Wüste vorgezogen, jetzt zählte allein Geschwindigkeit. Er trieb die willigen Pferde ständig an, wechselte sie regelmäßig, achtete aber darauf, dass sie genügend Futter und Wasser bekamen, und machte ausreichend halt, um sie vor Erschöpfung zu bewahren.
Arden schonte sich nicht, und manchmal nickte er für ein paar Augenblicke im Sattel ein. An diesem Morgen war er jedoch hellwach, denn er hatte sich in der vorangegangenen Nacht vier kostbare Stunden Schlaf gegönnt. Trotzdem rieb er sich blinzelnd die Augen und war überzeugt, noch zu träumen, als direkt vor ihm eine Nebelbank auftauchte. Sie glänzte im Sonnenlicht, trotzdem
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