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Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Titel: Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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sollten sie auf den Gedanken kommen, mein Missfallen zu erregen.«
    Gemma wurde fast schlecht bei so viel Gefühllosigkeit, und ihre Unfähigkeit, etwas zu tun, machte sie rasend, und sie stellte sich vor, auf welch grässliche Weise sie ihm den Garaus machen wollte. Sie war jetzt schon seit einigen Tagen seine Gefangene - wie lange genau, konnte sie nicht sagen, da sie die meiste Zeit in einem fensterlosen Raum eingesperrt gewesen war. Sie wusste auch nicht, wieso er sie hier heraufgeschafft hatte, um Zeugin dieses >Tests< zu werden. Vielleicht wollte er nur seine Macht demonstrieren - wenn Gemma daran auch nicht mehr erinnert zu werden brauchte. Oder er wollte angeben, und sie war das einzige Publikum, das ihm zur Verfügung stand. Soweit Gemma es beurteilen konnte, war sie das einzige andere Lebenwesen innerhalb des gigantischen Turmes.
    »Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir uns ein wenig unterhalten«, sagte Mendle, und es klang fast leutselig. »Meine Vorbereitungen sind praktisch abgeschlossen, und wenn alles fertig ist, werde ich deine Hilfe brauchen.«
    Gemma sagte nichts, obwohl sie sich ihm innerlich mit Herz und Verstand widersetzte. Sie wollte nichts mit ihm zu schaffen haben. Ihren Verstand hatte sie noch unter Kontrolle, nicht aber ihren Willen. Unfähig, Widerstand zu leisten, würde sie Mendles Befehlen gehorchen: ihre magischen Kräfte ruhten außerhalb ihrer Reichweite. Seit Betreten seines Reiches hatte Gemma nach dem Licht in den dunklen, von Magie erfüllten Bereichen ihres Verstandes gesucht, doch ohne Erfolg. Adrias Rat war hier nutzlos, und ihre Freunde konnten ihr nicht mehr helfen. In der Stunde ihrer größten Not war sie vollkommen alleine. Und in den Fängen eines bösartigen Irren.
    »Sicher hast du dich, seit du hier bist, gefragt, welche Rolle du spielen sollst«, fuhr Mendle fort.
    Gemma konnte es nicht leugnen - zu etwas anderem hatte sie kaum Gelegenheit gehabt.
    »Es ist wichtig, dass du begreifst, was geschehen wird. Es wird dir natürlich nicht gefallen - du wirst sogar dagegen sein. Doch das gehört alles dazu und wird am Ende keinen Unterschied machen.« Die Vorstellung bereitete ihm sichtliches Vergnügen, und er machte sich nicht einmal die Mühe, das zu verbergen.
    »Als du dieses Land betreten hast, war mir deine Bedeutung nicht sogleich klar. Das war ein Fehler meinerseits, deine Unwissenheit war allerdings dein bester Schutz. Seitdem hast du ein wenig dazugelernt, wenn auch, meine Liebe, längst nicht alles.« Mendle hielt inne, als erwartete er eine Reaktion, doch die kam nicht, daher fuhr er fort.
    »Wie du weißt, bist du, wie unser unbekannter Chronist es nennt, >der Schlüssel zum Traum<. Warum man ausgerechnet dich für diese Rolle vorgesehen hat, bleibt nach wie vor ein wenig rätselhaft, wahrscheinlich hast du diesbezüglich eine klarere Vorstellung als ich. Es bleibt die Tatsache, dass du der Brennpunkt dessen bist, was man als Magie bezeichnet. Du bist bereits dahintergekommen, dass Magie heutzutage von mehr als einer Seele abhängig ist und daher Gruppen von Seelen braucht, um funktionieren zu können. Das war nicht immer so, doch der Grund dafür ist eine andere Geschichte.
    Dir ist allerdings vielleicht nicht klar, dass du, als Schlüsselfigur, Teil jeder Gruppe bist.«
    Gemma konnte ihre Überraschung nicht verbergen. Wenn auch Mendle mit seinem Metallgesicht nicht lächeln konnte, so verriet seine Stimme doch deutlich seine Amüsiertheit.
    »Stell es dir als eine Zahl einander überschneidender Kreise vor«, erklärte er herablassend, »die sich alle in einem Punkt schneiden. Dieser Punkt bist du. Sie überschneiden sich natürlich auch noch an anderer Stelle, doch dann immer nur zu zweit. Es gibt nur einen Brennpunkt der Macht.«
    Wieso erzählst du mir das alles? fragte sich Gemma im stillen. Wieso bin ich so wichtig?
    »Mit einigen dieser Kreise hast du Verbindung aufgenommen«, fuhr Mendle fort, »doch vermutlich nicht mit allen. Es muss für dich recht verwirrend gewesen sein.«
    Allmählich fielen die Mosaiksteinchen in Gemmas Kopf an ihren Platz. Jetzt verstand sie, wieso sie auf die Gebilde miteinander verbundener Seelen reagierte: die Menschen aus dem Tal, die Meyrkats, Cais Bienen. Plötzlich fragte sie sich - Und Cai selbst! Zu welchem Kreis gehört er? Wer befindet sich sonst noch darin? Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als Mendle fortfuhr.
    »Ich habe dich von allen anderen hier isoliert«, erinnerte er sie, »aber ich werde dir bald

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