Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
wieder erlauben, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.«
»Wird mir das nicht eine Menge Macht verleihen?« fragte Gemma leise. Eine letzte, verzweifelte Hoffnung ließ sie noch einmal ihre Stimme wiederfinden.
»Je mächtiger, desto besser«, erwiderte Mendle siegessicher. »Deine Magie ist lediglich eine Kraft der Natur, eine von vielen. Ich habe stärkere entdeckt, wie du siehst.« Er deutete auf die Apparate ringsum.
»Die sind doch wohl kaum natürlich«, meinte Gemma.
»Es handelt sich um Apparate, die Naturkräfte nutzbar machen», erwiderte Mendle. »Verwechsele nicht den äußeren Schein mit dem Gehalt. Das ist das Problem mit der Magie - sie ist wild und nicht zu kontrollieren, besonders, wenn sie in falsche Händen gerät. Meine Machtquellen sind formbar, ich kann sie genauso benutzen, wie ich es wünsche. Mit Magie ist das nicht möglich. Sie lässt sich nicht formen, daher muss sie zerstört werden. Du und ich, wir werden dies gemeinsam vollbringen.«
»Nein!«
»Sei realistisch, Liebes.« Mandle grinste. »Ich räume dir eine gewisse Gedankenfreiheit ein, deine Handlungen jedoch stehen unter meiner Kontrolle. Wenn ich dich bäte, aus dem Fenster dort zu springen, würdest du ohne Zögern gehorchen.« Er hielt inne und wartete ab, bis die Bedeutung seiner Worte eingesunken war.
»Lass mich erklären, was genau geschehen wird. Dieser Turm wurde als Gefäß der Macht erdacht. Innerhalb seiner stählernen Hülle habe ich über alles absolute Kontrolle. Wenn ich die Schutzschirme öffne, die dich umgeben, wirst du Kraft aus deinen Kreisen der Magie schöpfen, die ich dir dann sofort abnehmen werde.«
»Warum sollte ich die Kraft anlocken, wenn ich weiß, dass ich sie an dich verlieren werde?« fragte Gemma.
»Weil du dich nicht weigern kannst«, erwiderte Mendle. »Dank ihrer Überheblichkeit wird die Magie von sich aus auf ihre Überlegenheit bestehen, auf ihre Fähigkeit, alles zu überwinden, und sie wird dir zur Hilfe kommen. Deine Freunde werden darauf bestehen, dass du ihre Kraft annimmst, und wenn sie dahinterkommen, dass du trotzdem schwach bleibst, werden sie darauf bestehen, dir noch mehr zu geben - und immer mehr. Und ich werde sie währenddessen abzapfen und den Prozess beschleunigen, bis er unaufhaltsam wird - und unumkehrbar.
Du wirst jeden einzelnen Kreis seiner Energie berauben. Sie werden ihre Macht und ihre Unverletzlichkeit verlieren. Doch das Beste ist: ihnen wird auf alle Zeit versagt bleiben, jemals wieder nennenswerte Kraft aufzubauen, denn sie werden sich an deinen Verrat erinnern. Eine sehr subtile Form der Rache für dein Feuer, meinst du nicht auch?«
Die Meyrkats kamen aus ihrem dunklen Versteck hervor, als das fürchterliche Beben aufhörte. Voller Angst betrachteten sie die riesige Rauch- und Staubsäule, die sich über der Stadt erhob.
Erd-Dunkelheit, meinte Ul, doch der Clan wusste, dass dies kein normaler Sandsturm war.
Große-die-sich-Häuten zerstören ihren eigenen Bau, meinte Ox fassungslos.
Sie hatten die Stadt jetzt schon seit einigen Tagen beobachtet, nachdem sie sich vorübergehend in den staubigen Löchern eines ausgetrockneten Flussbetts einquartiert hatten. Es machte sie traurig, dass all ihre Wanderungen ihnen nicht zu einem besseren Verständnis menschlichen Verhaltens verholfen hatten. Die ummauerte Stadt und die Menschenmassen, die sich um sie drängten, waren eine Quelle der Angst und der Abscheu für sie, und doch fühlten sie sich nach dort hingezogen, waren aber nicht imstande gewesen, aufzubrechen.
Die Wanderer waren hierhergekommen, nachdem sie den Riesenbau unter ihrer Heimat in der Wüste verlassen hatten. Sie hatten gewusst, dass Gemma sich in der Nähe aufhielt, waren aber vollkommen verwirrt gewesen, als sie merkten, dass Arden in die andere Richtung losgeritten war. Jetzt warteten sie mit wachsender Ungeduld darauf, sich wieder mit dem einzigen Menschen zu vereinen, der mit ihnen sprechen konnte und dessen Geist sie bis vor kurzem gerufen hatte, doch sie waren nicht imstande, sich jenem ungeheuren Bau zu nähern, der sie gefangenhielt.
Gemma ist immer noch da drin? fragte Ox.
Ich weiß es nicht, erwiderte Ul, doch ich spüre nicht, dass sie ihn verlassen hat.
Ul war eines der ältesten Weibchen, und ihr Traum- Gespür war es, das sie bis jetzt auf ihren Wanderungen geleitet hatte. Sie war es auch, die sie in den gigantischen Bau geführt hatte, in dessen labyrinthähnlichen Tiefen sie Arden gefunden hatten, und sie war es, die darauf
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