Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
gab Yarat zurück.
»Das überrascht mich nicht. Ich war die einzige vernünftige Bühnennummer, die er hatte.«
»Wieso wart ihr in der Wüste? Viel Publikum gibt es da nicht.«
»Eine seiner Abkürzungen«, meinte sie voller Spott. »Barris würde alles tun, um ein paar Taler zu sparen.« Yarats Fragerei wurde ihr immer unangenehmer.
»Eine Abkürzung? Von wo?«
»Wir sind in den Dörfern am Fuß der Berge aufgetreten und wollten dann für die neue Saison zur Küste zurück.«
»Nach Newport?«
Gemma zuckte mit den Achseln. »Für uns Schausteller ist ein Ort wie der andere«, sagte sie lahm. »Solange es dort Leute gibt, denen man das Geld aus der Tasche ziehen kann.«
Yarat musterte sie abschätzend.
»Hübsche Ohrringe«, meinte er. Sein Ton war beiläufig, doch Gemma konnte deutlich seine Habgier heraushören und hob automatisch eine Hand, um einen der goldenen Ohrringe zu befühlen, die wie Gänse im Flug geformt waren.
»Ein Gentleman hat sich in mich verguckt und sie mir geschenkt«, meinte sie mit einem Lächeln. Es stimmte sogar. Sie waren von Arden.
Gemma war froh, als Aric mittags haltmachen ließ und sie absteigen und ihre Beine strecken konnte. Ihr zerschundener Körper musste sich jetzt auch noch mit einer weiteren Sorte von Schmerzen herumschlagen. Nachdem sie ein Stück gelaufen war, setzte sie sich zu den Meyrkats, fort von den anderen. Nur Wray achtete auf sie und blickte nervös von Zeit zu Zeit in ihre Richtung, als erwartete er, ihr würden Flügel wachsen und sie könnte davonfliegen. Schön wär‘s, dachte Gemma wehmütig. Sie hatte den Gedanken aufgegeben, im offenen Gelände bei Tageslicht zu fliehen. Noch immer war ihr nicht recht klar, ob sie überhaupt fliehen musste.
Geht es den anderen gut? fragte sie ihre Gefährten.
Sie sind nicht weit, aber sie haben Hunger, erwiderte Ed. Es gibt kein Stech-Essen hier.
Aber es muss doch andere Dinge für sie zu essen geben, meinte Gemma. Sie hatte zwar Verständnis für die missliche Lage des Clans, persönlich jedoch war sie froh, dass sie sich nicht in einer Skorpiongegend befanden. Sie müssen jetzt auf die Jagd gehen, solange wir haltmachen.
Das tun wir ja, kam Ods Stimme aus der Ferne, aber hier ist zuviel Grün.
Ich versuche, etwas rohes Fleisch für euch aufzutreiben, versprach Gemma. Es bestand nur wenig Hoffnung, dass die Grauen Vandalen Frischfleisch mit sich führten, aber vielleicht konnte sie etwas besorgen, wenn sie ein Dorf oder eine Farm erreichten.
Jetzt kam einer der Männer auf sie zu, in der Hand zwei Schalen mit Essen. Die drei Meyrkats sprangen zur Seite, als er näherkam. Er hielt eine Schale hin, die Gemma dankbar entgegennahm.
»Habt Ihr etwas rohes Fleisch?« fragte sie.
»Nein
»Dann geht ihr besser selber auf Jagd«, meinte sie zu den Meyrkats und fügte in Gedanken hinzu, sie würde sie rufen, wenn sie gebraucht wurden. Die drei flitzten dankbar los, und der junge Mann sah ihnen nach.
»Unglaublich«, meinte er.
»Danke«, erwiderte sie kokett. »Der eigentliche Trick besteht darin, sie wieder zurückzuholen.« Er sah sie einen Augenblick lang mit leerem Blick an, dann erwiderte er ihr zuversichtliches Grinsen mit einem Lächeln. Er war vielleicht zwanzig Jahre alt und wirkte offener als die anderen Soldaten, die Gemma kennengelernt hatte. Möglicherweise war das eine List, um sie in falsche Sicherheit zu wiegen, daher blieb sie wachsam.
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Sie nickte und zeigte auf den Boden neben sich.
»Ich bin Dacey«, sagte er, nachdem er sich gesetzt hatte. »Und du heißt ...?«
»Nenn mich Gemma«, antwortete sie. »Das tun die meisten.«
Er nickte und wirkte fast schüchtern.
Wenn er mir etwas Vormacht, dachte Gemma, dann ist er aus gezeichnet.
»Wie lange arbeitest du schon mit Tieren?« wollte er wissen.
»Mein ganzes Leben - aber erst jetzt werde ich dafür bezahlt.« Sie lachte. »Würde ich jedenfalls, wenn Schausteller nicht solche Halunken wären.«
»Ich habe noch nie Meyrkats gesehen«, fuhr Dacey fort.
»Wir werden heute Abend eine Vorstellung für Euch geben«, versprach Gemma und beschloss dann, selber ein paar Fragen zu stellen. »Warum habt ihr so viele Schwerter dabei? Ich wusste gar nicht, dass es Banditen in dieser Gegend gibt.«
»Ach, die sind nur zu unserem Schutz«, sagte er unbekümmert. »Wir sind eigentlich eher Händler als Krieger.« Die Worte hatten einen seltsamen Klang, den Gemma nicht recht einzuordnen wusste. »Wir müssen nicht oft
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