Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
können.
Grauhäute, lautete Avs Kommentar.
Plötzlich nahm Gemmas Beklommenheit Gestalt an. Diese Männer waren Graue Vandalen - Fanatiker, die alles Übel der Welt auf die Menschen schoben, die es von den Inseln im Norden auf diesen Kontinent gezogen hatte. Gemma war bei ihrer ersten Landung in Cleve nur knapp dem Tod durch sie entkommen. Ihr Hass war blind, und sie wusste, dass ihr rotes Haar, das im Süden so selten war, sie verraten würde.
Drei der grau gekleideten Männer lösten sich aus der Hauptgruppe und galoppierten auf sie zu. Gemma fasste einen raschen Entschluss - was immer ihr Schicksal war, der Clan brauchte es nicht zu teilen.
Verteilt euch! Schnell! meinte sie zu den Meyrkats. Versteckt euch. Ich glaube nicht, dass ihr hier willkommen seid.
Die Tiere verschwanden. Auch sie hatten der Ankunft der Reiter mit Bangen entgegengesehen und waren mehr als froh, sich zurückziehen zu können. Gemma spürte ihre Nähe. Zu sehen waren sie nicht, aber sie beobachteten und lauschten nervös.
Man brachte die Pferde ein paar Schritte entfernt zum Stillstand. Die drei Männer musterten sie neugierig. Gemma jedoch wich nicht zurück und sah ihnen so selbstsicher wie möglich ins Gesicht. Einer der Männer, offenkundig ihr Anführer, war dünn und hatte ein kantiges Gesicht, dunkles Haar und gerissene graue Augen, deren Farbe zu dem derben, grauen Tuch seiner Kleidung passte.
»Du bist weit fort von zu Hause«, stellte er fest. Seine Stimme klang sanft, wenn auch leicht bedrohlich.
»Das ist richtig«, gab Gemma ihm so herzlich wie möglich recht. »Und ich bin sehr froh, Euch zu treffen. Dieser Mistkerl von einem Schausteller hat mich ohne Vorräte und Wasser in der Wüste sitzen lassen! Zum Glück ...«
Der Dünne hob die Hand.
»Immer mit der Ruhe«, befahl er. Seine Stimme war wie ein Peitschenknall, doch in seinen Augen war ein Funken Amüsiertheit zu erkennen. »Woher genau stammst du?«
»Ursprünglich?«
Er nickte.
»Aus Keld - in den Bergen«, gab sie zurück und nannte das Dorf, aus dem sie geflohen war. Einer der anderen Männer kommentierte ihre Antwort mit einem höhnischen Schnauben, doch der Anführer brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Und ein Schausteller hat dich hier zurückgelassen?«
»Ich erzähle Euch gerne alles«, antwortete Gemma angestrengt nachdenkend, »aber könnte ich vielleicht vorher etwas Wasser haben? Ich bin wie ausgetrocknet.«
»Wray«, meinte der Anführer zu einem seinen Gefährten und schnippte mit den Fingern.
»Aber Arie, sie ist doch ...«, protestierte der andere, wurde aber mit einem Blick zum Verstummen gebracht. Wray band eine Wasserflasche von seinen Satteltaschen los und warf sie Gemma zu. Sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass es ihm nicht passte, ihr zu helfen.
Gemma hob die Flasche aus dem Staub, entkorkte sie und trank gierig, dann gab sie sie dem mürrischen Wray zurück. Die Reiter, die keinerlei Anstalten machten, abzusteigen, beobachteten sie genau. Der Rest des Trupps war jetzt ganz nah.
»Vielen Dank, Sir«, meinte Gemma.
»Wie heißt du?« fragte Aric. Sein Ton war fast freundlich, trotzdem konnte er niemanden damit täuschen.
»Prinzessin Gemma!« verkündete sie theatralisch. »Das ist natürlich mein Bühnenname. Niemand würde dafür bezahlen, jemanden mit dem Namen Beatricia zu sehen, oder?« Sie lächelte, erzielte jedoch keine Wirkung.
»Und was genau tust du auf der Bühne?«
»Ich habe eine Nummer mit dressierten Tieren«, gab sie zurück. »Im Augenblick sind es Meyrkats.«
»Meyrkats!« rief der dritte ungläubig.
»Genau«, erwiderte Gemma. »Ich kann alles dressieren.«
»Waren das die Tiere, die wir haben fortlaufen sehen?« wollte Aric wissen, und sie nickte.
»Sie haben ein wenig Angst vor Pferden«, erklärte sie. »Möchtet Ihr sie vielleicht sehen?«
»Wenn wir können.«
»Ed, Av, Em. Kommt her zu mir!« rief und sandte zur gleichen Zeit eine beruhigende Geistesbotschaft zu den dreien aus und die Anweisung, dass die anderen im Versteck bleiben sollten. Nach ein paar Augenblicken kam das Trio aus seinem Versteck hervor und sprang auf seine Herrin zu. Gemma bemerkte die Ausrufe des Erstaunens bei Arics beiden Gefährten mit einer gewissen Befriedigung. Der Anführer blieb äußerlich ungerührt.
»Beachtlich«, meinte er. »Warum sollte jemand so gefühllos sein und eine derart ungewöhnliche Bühnennummer in der Wüste zurücklassen?«
»Der Mistkerl wollte mich um meinen Anteil an den
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