Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
damit sie sie untersuchen konnte. Sie waren zwar noch immer orientierungslos und ihre Augen noch immer ein wenig geweitet, hatten sich aber schon ein wenig von ihrer Qual erholt. Sie legte den beiden sanft eine Hand auf den Kopf und hoffte, sie damit zu beruhigen.
Ihr wart wundervoll, sagte sie. Ohne eure Hilfe und Anleitung hätte ich die Flammen nicht begrüßen können.
Die Götter sind zu uns gekommen, erklärte Av ihr. Innen.
Ich weiß. Ich habe es auch gespürt, erwiderte Gemma und musste an ihre grauenhaften Kopfschmerzen denken. Sie sah darin eine weitere Parallele zwischen einem Zauberer und seinen Vertrauten und sich selbst und dem Clan. Zusätzlich zu der mentalen Kommunikation gab es auch einen Austausch der Empfindungen, der in beiden Richtungen funktionierte. Der Drachenblumensamen hatte ihr ebenso zugesetzt wie den gefangenen Tieren.
Jetzt können wir wieder wandern, bemerkte Ed glücklich.
Das mit Ed und den anderen tut mir leid, erklärte Gemma.
Wir werden für sie singen.
Einverstanden, aber noch nicht gleich, meinte sie schnell zu ihm, da sie befürchtete, ihr Trauergesang könnte bis in die untere Höhle reichen.
Ein paar der quirligeren Meyrkats begannen mit dem Aufstieg und suchten den einfachsten Weg nach oben, dann geleiteten sie den Rest des Clans hinauf. Gemma blieb unten, verfolgte besorgt ihren Aufstieg und hielt sich bereit, jeden aufzufangen, der hinunterstürzte. Als Ox das obere Ende erreicht hatte, kletterte er hinaus und sah sich gründlich um.
Keine Grau-Häute, berichtete er und stieß den leisen, pfeifenden Ruf aus, der signalisierte, dass die Luft rein war. Gemma atmete erleichtert auf und stieg selbst nach oben. Es war überraschend einfach, und sie konnte sich nach Belieben festhalten, um sich auszuruhen. Es gab nur einen einzigen bangen Augenblick, als sie sich durch eine sehr enge Öffnung zwischen zwei hervorragenden Felsplatten quetschen musste. Sie geriet kurz in Panik, da sie nicht wusste, ob sie hindurchkommen würde, doch die Entschlossenheit verlieh ihr Kraft, und sie kam mit ein paar Kratzern und einem leicht eingerissenen Hemd davon.
Sie stieß zu den Meyrkats und betrachtete die neue Umgebung. Der obere Rand der Klippe erstreckte sich ungefähr zweihundert Schritte nach Westen, und ringsum erstreckte sich nach Norden und Süden ein grasiges Plateau. Im Osten war Wald, den die Meyrkats überrascht betrachteten. Sie hatten auf ihren Wanderungen bislang nur wenige Bäume gesehen, und so viele an einem Ort zu sehen - selbst wenn sie blattlos waren - war überwältigend. Hinter dem Waldgebiet stiegen die Hügel noch höher hinauf, und in der Ferne konnte man die ersten Bergketten erkennen.
Nichts von alledem wirkte auch nur entfernt vertraut. Trotzdem zog es Gemma dorthin, denn sie wusste, dass sich irgendwo im Südosten das Tal befand - und Arden.
Ein Rauchkringel stieg über den Bäumen auf, und ihr Herz tat einen Sprung. Wenn es in der Nähe eine Farm oder ein Dorf gab, konnte dies den Anfang ihres Marsches erheblich erleichtern. Dann wurde ihr klar, dass sie mit ihrem zerlumpten Aussehen wohl kaum das Vertrauen von Fremden wecken würde. Außerdem besaß sie kein Geld, um Proviant oder andere Vorräte zu kaufen. Dann fiel ihr die Lösung ein: ihr Auftritt mit den Meyrkats könnte Wirklichkeit werden. Eine derartige Nummer brachte bestimmt genug für eine Mahlzeit und eine Übernachtung ein.
Sie rief ihre Freunde zusammen, und man brach auf. Obwohl der eine oder andere wehmütige Blicke zurück zur Höhle warf, ließ Gemma nicht zu, dass sie länger verweilten.
Und so begann ihr Leben als fahrendes Volk. Sie hatten fast überall Erfolg - die meisten Dörfer oder Landgasthäuser waren hocherfreut, Gemma und ihre Tiertruppe auf treten zu sehen. Sie änderte ihren Namen und taufte die Meyrkats in Affen um, für den Fall, dass ihr Umherziehen den Grauen Vandalen zu Ohren kommen sollte. Ansonsten reisten sie in aller Öffentlichkeit, immer auf dem Weg nach Süden und, wenn möglich, nach Osten - und erkundigten sich bei jedem Halt, ob das gesuchte Dorf in der Nähe lag. Nach der ersten Nacht, die die Meyrkats im Freien verbrachten, um für ihre Toten zu singen, wurden sie immer mutiger und begleiteten Gemma häufig sogar bis hinein in die Dörfer.
Anfangs sorgten Av und Ed für den Hauptteil des Programms, aber schon bald wollten auch die anderen mitmachen, und so wurde der Auftritt länger und immer interessanter. Bald brauchte Gemma nicht viel mehr zu tun,
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