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Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich

Titel: Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
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Gemma spürte, wie sich ein geringes Maß an Ordnung im Chaos ihrer Gedanken ausbreitete. Sie fühlte sich durchaus entspannt, und doch waren die goldenen Blitze noch immer da, und allmählich erkannte sie tatsächlich ein Muster in ihren Bewegungen, eine Struktur in ihrer Kraft. Immer tiefer versank sie in Trance - und Adrias Worte flossen weiter.
    »Du besitzt viele Quellen, aus denen du Kraft schöpfen kannst. Für andere waren es Gegenstände oder Orte, die die Überreste der Magie vergangener Ereignisse enthielten; blinde Quellen der Natur, beliebig und unberechenbar. Oder, wie im allerschlimmsten Falle, die Gedanken ihrer Mitmenschen. Bei dir jedoch... ist es etwas Neues... etwas, das ich nicht verstehe.«
    Ein paar Augenblicke lang herrschte Schweigen. Gemma war noch immer völlig entspannt, ihr Atem ging langsam und tief.
    »Versuche dies«, sagte Adria unvermittelt.
    Licht explodierte in Gemmas Kopf, eine Fontäne aus goldenen Flammen, wo zuvor nur Funken gewesen waren. Sie schien zu schweben, leichter als Luft und doch so stark, dass sie zu allem fähig war.
    »Lerne daraus. Erinnere dich.« Adrias Stimme erschallte hinter den lodernden Flammen, und Gemma gab sich alle Mühe, zu gehorchen, doch sie war derart berauscht, dass ihre Gedanken - unfähig, sich zu konzentrieren - weiterkreisten.
    Dann, plötzlich, war das Hochgefühl vorbei. Adria zog ihre Hände zurück und lehnte sich zurück in ihren Stuhl. Gemma blinzelte benommen. Die alte Frau wirkte grau und müde, lächelte aber schwach.
    »Wie hast du das gemacht?« fragte Gemma sofort, doch Adria hielt eine faltige Hand in die Höhe.
    »Das erzähle ich dir morgen früh«, erwiderte sie mit schwacher, aber entschlossener Stimme. Ein paar Augenblicke später war die alte Frau fest eingeschlafen, und Hewe trug sie vorsichtig in ihr Bett.
    Ganz früh am nächsten Morgen klopfte Gemma vorsichtig an die Tür zu Adrias Schlafzimmer. Draußen dämmerte es erst, und doch war es unmöglich, länger zu schlafen. Zu viele Fragen warteten auf eine Antwort.
    »Komm herein, Gemma«, rief Adria leise. Die alte Frau saß aufrecht im Bett, hatte einen Spitzenschal um die Schultern gelegt und die Hände gefaltet.
    »Hast du gut geschlafen?« erkundigte sie sich und lächelte, als Gemma nickte. »Dies ist einer der Vorteile, dass die Jungen so oft unterwegs sind. Ich habe immer reichlich Platz für Gäste. Gewöhnlich laufe ich einsam und klapprig durch das Haus.« Sie kicherte in sich hinein. »Genug der Jammerei. Ich nehme an, du hast ein paar Fragen.«
    »Ja, aber ich weiß kaum, wo ich anfangen soll.«
    Adria wartete geduldig.
    »Bist du eine Magierin?« fragte Gemma schließlich.
    »Du liebe Güte, nein!« antwortete sie. »Ich besitze selbst keine magischen Kräfte. Mein Talent ist es, sie bei anderen zu erkennen und ihnen gelegentlich ein wenig zu helfen.«
    »Was du gestern Abend mit mir gemacht hast ...«
    »Ich habe nichts mit dir gemacht. Ich habe dir lediglich die Kanäle gezeigt, denen du nachgehen solltest. All diese Energie hast du allein produziert - eine bemerkenswerte Vorstellung!«
    »Könntest du es mir noch einmal zeigen?«
    »Das ist nicht nötig. Du wirst dich erinnern, wenn du musst«, sagte Adria. »Außerdem bin ich immer noch erschöpft von der Anstrengung.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Das wirst du noch«, erwiderte die alte Frau voller Zuversicht. »Du besitzt ein unglaubliches Talent, und die Gesetze der Natur verlangen, dass du es nutzt. Akzeptiere es, und lerne, ihm zu vertrauen. Bislang hattest du deine Magie nur durch die Kraft deines Zornes leiten können - oder durch äußere Einflüsse. Wenn du es mit reiner Willenskraft kannst, wird man mit dir rechnen müssen.« Sie lachte. »Fast könnte eine alte Frau wieder den Wunsch verspüren, auf Reisen zu gehen.«
    Gemma war durcheinander. Willenskraft ? Das konnte doch unmöglich genügen, und doch schien Adria davon überzeugt zu sein.
    »Und woher kommt all diese Energie?« fragte sie.
    »Das ist ein wunder Punkt«, antwortete Adria wieder ernst. »Magie ist wie jede andere Form der Energie. Sie kann nicht aus dem Nichts geschaffen werden, und sie kostet. Du jedoch ... du scheinst sie aus einer Verbindung von Seelen zu schöpfen - vieler, nicht nur zweier Seelen.«
    »Wie die Meyrkats?«
    »Genau. Oder die Menschen aus dem Tal. Doch dein Akzeptieren nimmt ihnen nichts. Nach dem, was ich gehört habe, ist es, wenn überhaupt, eine Transaktion, von der alle profitieren.« Adria seufzte.

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