Die träumende Welt 02 - Das Schattenreich
»Der eigentliche Ursprung muss woanders liegen ... aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte. Diese Gruppen sind wichtig, durch sie wird deine Magie sichtbar, aber offenbar kannst du auch alleine handeln.« Sie hob sichtlich verwirrt die Schultern, dann blitzten ihre Augen auf. »Wir tappen beide im Dunkeln. Den Männern werden wir davon aber nichts erzählen. Wir wollen ihnen nicht den Glauben nehmen, dass Frauen alles wissen.«
Ihr Lachen war ansteckend, und obwohl ihre Verwirrung noch anhielt, konnte Gemma nicht anders, als in das Lachen einzustimmen.
Als sie an diesem Morgen aufbrachen, lag Adria noch immer im Bett. Gemma war beunruhigt, doch Dale versicherte ihr, dass es keinen Grund zur Sorge gäbe. Er und Hewe waren hinaufgegangen, hatten mit ihr gesprochen und sich vergewissert, dass sie bald wieder auf den Beinen war.
»Sie ist ein altes, zähes Weib«, sagte Dale, »und sie ist das Alleinsein gewöhnt. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, es ist ihr lieber so.«
»Und ihre Söhne?«
»Sie sind oft von zu Hause fort. Sie sammeln Informationen und überbringen sie für uns«, antwortete Hewe. »Es sind gute Männer.«
»Auch wenn ihre neuesten Nachrichten nichts Gutes verheißen«, warf Dale ein.
»Welche Nachrichten?« fragte Ashlin, der immer darauf aus war, etwas Neues zu lernen.
»Es gibt wieder Ärger in Altonbridge«, antwortete Dale. »Offenbar hat die neue Regierung in Newport entschieden, dass unsere Bürger nicht genug Steuern zahlen, und Maßnahmen eingeleitet, um diesem Missstand abzuhelfen. Viele von denen, die weder bereit - noch willens - waren, zu zahlen, wurden bereits umgebracht oder sind einfach verschwunden.«
»Die umliegenden Dörfer sind ebenfalls betroffen«, fügte Hewe hinzu. »Wir müssen genau aufpassen, was wir tun.«
»Es ist das Chaos«, schloss Dale, »und ich will so schnell wie möglich zurück in die Stadt.«
Die ängstliche Anspannung in seiner Stimme war genau der Ansporn, den die anderen brauchten, um ihren Pferden erneut die Sporen zu geben.
Sie ritten größtenteils schweigend, und Gemmas Gedanken schweiften ab. Sie ließ sich Adrias Worte durch den Kopf gehen und nahm kaum Notiz von ihrer Umgebung.
Wenn du es alleine kraft deines Willens schaffst ...
An Willenskraft hat es dir gewiss nie gemangelt, vernahm sie eine Stimme in ihrem Kopf.
Cai? rief sie entzückt. Ich dachte, du hättest mich verlassen!
Nein, Gemma. Du hast mich zurückgelassen, gab der ehemalige Zauberer zurück.
Wie können wir miteinander sprechen, obwohl wir so weit voneinander getrennt sind?
Du bist so weit weg, antwortete er. Seit Monaten habe ich dich nicht mehr spüren können.
Ich war an einem ganz besonderen Ort. Versteckt von der Außenwelt. Im stillen überlegte Gemma, dass dies sowohl gute wie auch schlechte Seiten hatte. Sie hatte zwar mit Cai keine Verbindung aufnehmen können, andererseits hatten weder die Grauen Vandalen noch die Gilde sie finden können - und der Sirenengesang aus dem Süden hatte sie auch nicht behelligt.
Und jetzt hast du dein Versteck wieder verlassen? erkundigte sich Cai.
Da sind ein paar Menschen, denen ich helfen muss. Tue ich das Richtige ?
In diesen Dingen kann ich dir nicht mehr weiterhelfen, antwortete er. Folge deinen eigenen Instinkten.
Es tut gut, dich wieder zu hören, sagte Gemma.
Cai reagierte eine ganze Weile nicht, und als er es dann tat, spürte sie das Glühen unausgesprochener Freude hinter seinen Worten.
Du bist nur manchmal offen, selbst jetzt. Ich hatte gestern einen lebhaften Traum von dir - es war, als wäre deine Seele wiedererwacht.
Sie erzählte ihm kurz von ihrer erstaunlichen Begegnung mit Adria.
Ah, machte er. Eine Verborgene. Von denen habe ich schon gehört. Achte genau auf das, was sie dir beibringt, Gemma.
Das hättest du mir auch beibringen können. Es war halb ein Vorwurf, halb das Bedauern über verpasste Gelegenheiten.
Nein. Mein Glaube war zerstört, und aus einer solchen Position aus kann niemand lehren.
Kann er niemals erneuert werden?
Vielleicht durch dich, sagte er ruhig.
Wie? fragte sie, bereit, ihm zu helfen.
Indem du Gemma bist, antwortete er dunkel. Ich muss fort - meine Welt ruft. Auf Wiedersehen.
Warte! rief sie, doch er war verschwunden. In der plötzlichen inneren Stille wirkte das Stapfen der Hufe unnatürlich laut.
»Alles in Ordnung?« Ashlin klang besorgt. »Du bist blass.«
»Es geht mir gut«, gab sie zurück und fragte sich, ob Cai und sie sich jemals richtig würden
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