Die Treibjagd
zwei Tage später mußte Saccard zu seinem größten Schmerze sehen, daß eine Armee von Arbeitern die Gerüste des unterbrochenen Baues überschwemmte, um auf der »werthlosen Gipsmasse« lustig weiterzubauen.
Er stellte sich seiner Frau als der in Geldnöthen steckende Finanzmann daher mit umso größerem Geschick dar, als sich seine Geschäfte immer mehr verwirrten. Er war nicht der Mann dazu, um nur der Wahrheit zu Liebe wahr zu sprechen.
»Wenn Sie sich in Verlegenheit befinden,« sprach Renée zweifelnden Tones, »wozu haben Sie mir dann dieses Halsband und Diadem gekauft, welches Ihnen wie ich glaube, auf fünfundsechszigtausend Francs zu stehen kam? ... Ich habe keine Verwendung für diesen Schmuck und möchte Sie daher um die Erlaubniß bitten, mich desselben zu entledigen, um Worms eine Anzahlung leisten zu können.«
»Thun Sie das ja nicht!« rief er beunruhigt aus. »Wenn man morgen auf dem Ball des Ministers diese Schmucksachen nicht an Ihnen sehen würde, so gäbe es allerlei Geschwätz über meine Situation ...«
Er war heute besonders umgänglich und indem er mit den Augen zwinkerte, fügte er leiser und mit einem Lächeln hinzu:
»Wir Spekulanten, meine liebe Freundin, gleichen schönen Frauen, – wir haben unsere Kunstgriffe... Behalten Sie, bitte, mir zu Liebe Ihr Diadem und Ihr Halsband.«
Er konnte doch nicht die Geschichte erzählen, die allerdings sehr niedlich, aber nicht salonfähig war. Nach einem gemeinsam eingenommenen Souper hatten Saccard und Laura d'Aurigny ein Uebereinkommen getroffen. Laura war tief verschuldet und wünschte nichts sehnlicher, als einen gutmüthigen jungen Mann zu finden, der sie entführen und nach London bringen wollte. Saccard fühlte den Boden unter sich wanken; seine erschöpfte Phantasie suchte nach einem Mittel, um der Welt zu zeigen, daß er sich nach wie vor in Gold und Silber wälze. Halb trunken beim Dessert sitzend, verständigten sich die Dirne und der Spekulant trefflich mit einander. Er erfand den Ausweg dieses Diamantenverkaufes, welcher die Runde durch ganz Paris machte und bei welchem er unter allgemeinem Aufsehen die Schmuckstücke für seine Frau erstand. Dieser Verkauf ergab eine Summe von ungefähr vierhunderttausend Francs, mit welchen er die Gläubiger Laura's befriedigte, denen sie annähernd das Zweifache dieses Betrages schuldig war. Es ist sogar anzunehmen, daß er bei dieser Manipulation einen Theil seiner fünfundsechzigtausend Francs zurückerhielt. Als man nun sah, daß er die finanzielle Lage der Aurigny glättete, galt er sofort für deren Liebhaber; man glaubte, er bezahle ihre gesammten Schulden und begehe Thorheiten für sie. Alle Hände streckten sich ihm nun entgegen und er erfreute sich eines unbeschränkten Kredits. An der Börse neckte man ihn mit seiner neuen Liebe; man lächelte, machte Anspielungen und dies entzückte ihn. Während dieser Zeit gab sich Laura d'Aurigny, die durch den Lärm allgemeines Aufsehen erregt hatte und bei der er nicht eine einzige Nacht verbrachte, den Anschein, als betröge sie ihn mit acht oder zehn Dummköpfen, die erpicht darauf waren, sie einem so kolossal reichen Manne abwendig zu machen. Innerhalb eines Monats besaß sie zwei Wohnungseinrichtungen und mehr Diamanten, als sie verkauft hatte. Saccard hatte die Gewohnheit angenommen, am Nachmittag, nach dem Schluß der Börse, eine Zigarre bei ihr zu rauchen und gar häufig erblickte er die Zipfel von Ueberröcken, die erschrocken hinter die Thür flüchteten. Allein geblieben, mußten sie lächeln, wenn sie einander anblickten. Er küßte sie auf die Stirne gleich einem ungerathenen Töchterchen, dessen Schelmerei ihm Vergnügen bereitet. Sie erhielt keinen Sou von ihm; ja, einmal lieh sie ihm sogar Geld, damit er eine Spielschuld begleichen könne.
Renée wollte nicht nachgeben und sprach davon, das Geschmeide wenigstens zu verpfänden; ihr Gatte machte ihr aber begreiflich, daß dies nicht möglich sei und ganz Paris morgen die Schmuckgegenstände an ihr sehen wolle. Da die Schneiderrechnung der jungen Frau aber Sorgen bereitete, suchte sie nach einem anderen Mittel.
»Aber das Unternehmen in Charonne geht ja gut!« rief sie mit einem Male aus. »Neulich sagten Sie mir ja erst, daß die Erträgnisse vorzügliche seien... Vielleicht würde mir Larsonneau diese 136 000 Francs vorstrecken?«
Seit einigen Minuten lehnte die Zange unthätig zwischen den Beinen Saccard's. Jetzt erfaßte er dieselbe wieder hastig, bückte sich und
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