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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Kranken nicht durch die Nennung seines wirklichen Leidens erschrecken will. Sie hatte Mitleid mit ihren kleinen Angelegenheiten, als hätte es sich um unbedeutende Dinge gehandelt, welchen sie sofort abzuhelfen vermöchte, wenn die junge Frau nur wollte. Letztere, die sich in einer jener Stimmungen befand, da man bedauert werden will, ließ sie nur hereinkommen, um ihr sagen zu können, daß sie einen unerträglichen Kopfschmerz habe.
    »Ach, meine Schönste,« murmelte Frau Sidonie, indem sie in das dunkle Zimmer glitt, »Sie ersticken ja hier!... Schon wieder Ihre neuralgischen Schmerzen, nicht wahr? Das macht der Kummer. Sie nehmen das Leben zu tragisch.«
    »Ja, ich habe so viele Sorgen,« erwiderte Renée schmachtend.
    Die Nacht brach herein. Sie hatte nicht zugegeben, daß Céleste eine Lampe anzünde. Blos das Kammfeuer verbreitete einen hellen, rothen Schein, welcher sie kaum beleuchtete, während sie in ihrem weißen Morgengewand, dessen Spitzen rosenroth schimmerten, in einem Fauteuil lag. Dort wo der Schatten begann, sah man blos ein Stück des schwarzen Kleides der Frau Sidonie, sowie ihre gekreuzten zwei Hände, die in grauen Baumwollhandschuhen stacken. Ihre zärtliche Stimme tönte so eigenartig aus dem Dunkel heraus.
    »Schon wieder Geldsorgen!« sagte sie in einem Tone voll Mitleid und Erbarmen, als hätte sie »Herzleid« gesagt.
    Renée senkte den Blick und machte eine zustimmende Geberde.
    »Ach, wenn meine Brüder auf mich hören wollten, so wären wir Alle reich! Doch die zucken nur mit den Achseln, wenn ich ihnen von dieser Schuld von drei Milliarden spreche, Sie wissen doch? ... Ich aber gebe die Hoffnung nicht auf, weniger denn je. Seit zehn Jahren will ich eine Reise nach England antreten; doch habe ich so wenig freie Zeit! ... Nun aber habe ich mich entschlossen, nach London zu schreiben und erwarte ich die Antwort von dort.«
    Und da die junge Frau lächelte, so fügte sie hinzu:
    »Ich weiß, daß auch Sie mir nicht glauben. Und dessenungeachtet wäre es Ihnen ganz recht, wenn ich Ihnen eines Tages eine niedliche kleine Million zum Geschenk machen würde. ... Sehen Sie, die Sache ist ja ganz einfach: ein Pariser Bankier hat dem Sohne des Königs von England das Geld dargeliehen und da der Bankier ohne natürliche Erben starb, so kann der Staat heute die Bezahlung der Schuld sammt den aufgelaufenen Zinsen fordern. Nach den von mir aufgestellten Berechnungen beläuft sich die Forderung heute auf einen Betrag von zwei Milliarden neunhundertdreiundvierzig Millionen zweihundertzehntausend Francs ... Seien Sie nur ganz unbesorgt, früher oder später wird der Sieg dennoch mein sein.«
    »Bis dahin,« sagte die junge Frau ein wenig ironisch, »würde ich es mit besonderem Dank anerkennen, wenn Sie mir hunderttausend Francs vorstrecken wollten ... Ich könnte meinen Schneider bezahlen, der mich arg quält.«
    »Hunderttausend Francs können sich finden,« erwiderte Frau Sidonie ruhig. »Es handelt sich blos darum, einen Preis für dieselben zu bestimmen.«
    Das Kaminfeuer flackerte; um sich eine behaglichere Lage zu verschaffen, streckte Renée die Füße aus, wodurch am Saume ihres Morgengewandes die Spitze der zierlichen Pantoffel sichtbar wurden. Die Unterhändlerin nahm mitleidigen Tones von Neuem auf:
    »Armes Kind, Sie sind wirklich unvernünftig ... Ich kenne viele Frauen; doch ist keine derselben so sorglos in Bezug auf ihre Gesundheit wie Sie. Sehen Sie einmal diese kleine Michelin; die weiß sich die Dinge einzurichten! Unwillkürlich denke ich an Sie, wenn ich die niedliche Person glücklich und wohlgemuth sehe ... Wissen Sie, daß Herr von Saffré sterblich in sie verliebt ist und ihr bereits Geschenke im Werthe von mehr als zehntausend Francs gemacht hat? ... Ich glaube, daß sie gerne ein hübsches Landhaus besitzen möchte ...«
    Sie sprach lebhafter als bisher und suchte ihre Tasche.
    »Da habe ich den Brief einer armen jungen Frau bei mir ... Wenn wir hier Licht hätten, so könnten Sie ihn lesen ... Denken Sie nur, ihr Gatte bekümmert sich gar nicht um sie. Sie hatte Wechsel unterschrieben und sich an einen Herrn wenden müssen, den ich genau kenne. Ich habe die Wechsel selbst aus den Händen der Gerichtsvollzieher gerissen, was keine geringe Mühe kostete... Die armen Kinder! Glauben Sie etwa, das dieselben etwas Unrechtes thun?
    Ich empfange sie in meiner Wohnung, als wären sie mein Sohn und meine Tochter.«
    »Sie kennen einen Geldverleiher?« fragte Renée

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