Die Treibjagd
reichen, als sie den Ball verlassen wollte. In dem Wagen war sie von nervöser Heiterkeit; der Rausch des blendenden Lichtes, des betäubenden Geräusches und der starken Gerüche, welche sie soeben durchkostet hatte, zitterte noch nach in ihr. Im Uebrigen schien sie den »dummen Streich«, wie Maxime das neuliche Boulevardabenteuer nannte, ganz vergessen zu haben. Sie fragte ihn auch blos mit absonderlicher Betonung:
»Die kleine buckelige Luise ist also sehr amüsant?«
»Ach ja!« erwiderte der junge Mann lachend. »Du hast doch die Herzogin von Sternich mit dem gelben Vogel im Haar gesehen, nicht wahr? ... Luise behauptete, dies sei ein mechanisch beweglicher Vogel, der die Flügel bewegt und dem armen Herzog jede Stunde zuruft: Kukuck! Kuckuck!«
Renée fand diesen Scherz des emanzipirten jungen Mädchens sehr komisch. Als man zuhause angelangt war und Maxime von ihr Abschied nehmen wollte, sagte sie:
»Du kommst nicht hinauf? Céleste hat sicherlich einen kleinen Imbiß für mich vorbereitet.«
Mit seiner gewohnten Sorglosigkeit gehorchte er ihrer Aufforderung. Oben aber war kein Imbiß vorbereitet und Céleste zu Bett gegangen. Renée mußte die Kerzen eines kleinen dreiarmigen Leuchters selbst anzünden, wobei ihre Hand ein wenig zitterte. Darauf sagte sie mit Bezug auf ihre Kammerzofe:
»Die Närrin! ... Sicherlich hat sie meine Anordnungen falsch verstanden ... Ich kann mich ja gar nicht allein auskleiden.«
Damit begab sie sich in ihr Ankleidezimmer. Maxime folgte ihr, um ihr ein neues Scherzwort Luisens zu erzählen, dessen er sich erinnerte, ruhig, als hätte er sich bei einem Freunde befunden und schon griff er nach seiner Zigarrentasche, um sich eine Havannah anzuzünden. Als Renée aber den Leuchter niedergestellt hatte, wendete sie sich um und sank stumm in die Arme des jungen Mannes, wobei sie ihre Lippen auf die seinigen preßte.
Das Heim Renée's war ein Nest aus Seide und Spitzen, ein Wunderwerk an Koketterie, Pracht und Luxus. Vor dem Schlafzimmer lag ein sehr kleines Boudoir. Die beiden Räume bildeten eigentlich nur einen, besser gesagt, das Boudoir war blos die Schwelle des Zimmers, eines großen Alkoven, in welchem sich mehrere Chaiselongues befanden; eine richtige Thür war gar nicht vorhanden, blos eine doppelte Portière. Die Wände der beiden Gemächer waren mit mattgrauer Seide überzogen, die mit großen Rosen- und weißen Fliedersträußen gestickt und stellenweise mit mächtigen goldenen Knöpfen besetzt war. Vorhänge und Portièren bestanden aus venetianischen Spitzen, deren Unterlage abwechselnd aus rothen und grauen Seidenstreifen bestand. Im Schlafzimmer stellte der aus weißem Marmor angefertigte Kamin, ein wahres Juwel der Bildhauerkunst, mit seiner kostbaren Einlegearbeit und seinen herrlichen Mosaikbildern einen Blumenkorb dar, aus welchem das Muster der Tapete, als Rosen, weißer Flieder und goldene Knospen hervorragte. Ein großes, in Grau und Rosa gehaltenes Bett, dessen Holzgestell unter dem reichen Polsterwerk gänzlich verschwand und dessen Kopfende sich an der Wand befand, nahm reichlich die Hälfte des Zimmers ein mit seinen Draperien, Spitzen und seinen von der Decke bis zur Erde herabhängenden und mit großen gestickten Bouquets verzierten Seidenvorhängen. Dieser gleich einem Frauenrock sich blähende Vorhang erweckte den Gedanken an eine verliebte Riesin, die sich über die Kissen neigt, nahe daran, auf dieselben hinzusinken. Hinter dem Vorhang breitete sich das Heiligthum der Batistkissen, eine Wolke schneeiger Spitzen, eine ganze Menge der köstlichsten, durchsichtigen Dinge aus, die in einem fortwährenden Halbdunkel schwammen. Neben diesem Bette, dessen Umfang an eine zu einem Feste geschmückte Kapelle erinnerte, verschwanden die übrigen Möbel: niedrige Sitze, ein zwei Meter hoher Spiegel und Schränke mit einer Unzahl von Schubfächern beinahe völlig. Der den Boden bedeckende grau-blaue Teppich zeigte zerstreute zart rosafarbene Rosen. Und zu den beiden Seiten des Bettes lagen zwei mächtige schwarze Bärenfelle mit rothem Sammt eingefaßt und silbernen Krallen; die dem Fenster zugewendeten Köpfe starrten mit ihren gläsernen Augen unablässig den leeren Himmel an.
In diesem Zimmer herrschte eine wohlthuende Harmonie, eine absolute Stille. Kein schärferer Ton, kein Widerschein von Gold oder sonstigem Metall mengte sich in die träumerische Symphonie der grauen und rosenrothen Farbe. Die Garnitur des Kamins, der Rahmen des Spiegels, die
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