Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
Gefühlen, trat ich hinzu. Er sah mich erst, als ich schon in nächster Nähe war und zu einem Kinnhaken ausholte. Leider war er der Schnellere …
Als ich mich wieder für die Außenwelt interessierte, entdeckte ich, dass ich auf dem Straßenpflaster lag. In der Ferne verhallte der Lärm der Bande, und der Untergangsprophet, der die Sprache wiedergefunden hatte, schleuderte ihnen seinen heiligen Zorn hinterher.
Als mein Verstand langsam zurückkehrte, war ich dankbar, dass die Geschichte nicht schlimmer ausgegangen war. Wäre ich Sieger geblieben, hätte ich mich kaum aus der Verantwortung für die Männer stehlen können, die mein Gegner führte. Was auch immer man von seinen Methoden halten mochte, schließlich diente er der Gruppe mit seinen Augen, er sorgte dafür, dass die Männer zu essen und zu trinken bekamen. Wahrscheinlich hatten glückliche Umstände mich davor bewahrt, zum Bandenführer zu werden.
Die Schar war, wie mir einfiel, ins Café Royal marschiert; ich beschloss, zur Regeneration meiner Lebensgeister und zur gründlichen Erwägung meiner Lage das Regent Palace Hotel aufzusuchen.
Während ich Siesta hielt, vor mir einen Brandy und in der Hand eine Zigarette, rang ich mich endlich zu der Erkenntnis durch, dass das bisher Gesehene Wirklichkeit war, endgültige, unwiderrufliche Wirklichkeit.
Ich sah, dass mein Dasein nun ohne jeden Schwerpunkt war. Alle meine Pläne, alle Ziele und Aussichten waren ausgelöscht, verschwunden mit der Welt, die ihnen Sinn gegeben hatte. Es war ein Augenblick der Verlassenheit und Vereinsamung, der vielleicht lebensbedrohend gewesen wäre, hätte ich den Verlust von Verwandten oder sonst Nahestehenden betrauern müssen. Das zuzeiten recht leere Leben, das ich führte, erwies sich nun als ein Segen. Niemand erwartete etwas von mir. Und seltsam, was ich fühlte, war nicht, was ich hätte fühlen müssen, Verzweiflung, sondern beinahe so etwas wie – Befreiung …
Es lag nicht nur am Brandy, denn das Gefühl hielt an. Ich glaube, es war das Bewusstsein, dass etwas ganz Neues auf mich zukam. All die altbekannten Probleme persönlicher und allgemeiner Art hatten sich auf einen Schlag aufgelöst. Der Himmel allein wusste, welche Probleme mir nun bevorstanden.
Von nun an war ich mein eigener Herr, nicht mehr nur ein Rädchen im Getriebe. Mochte ich auch eine Welt voller Schrecken und Gefahren vor mir haben, aber ich konnte es mit ihr aufnehmen, auf meine Art und nicht mehr im Dienst fremder Kräfte und Interessen, von denen ich nichts verstand und die mich nichts angingen.
Nein, es lag nicht nur am Brandy, denn sogar jetzt noch, Jahre später, kann ich mich an jenes Gefühl erinnern.
Blieb noch die Frage: Was sollte zuerst geschehen, wie und wo sollte mit diesem neuen Leben begonnen werden? Diese Sorge beschwerte mich im Augenblick nicht sonderlich. Ich trank aus und ging wieder ins Freie, um mich in dieser neuen, fremden Welt ein wenig umzusehen.
4 Die ersten Schatten
4
Die ersten Schatten
Ich machte einen großen Bogen um das Café Royal und wollte weiter oben wieder auf die Regent Street einbiegen.
Vielleicht war es der Hunger, der die Leute auf die Straße trieb. Auf jeden Fall waren die Stadtteile, die ich nun durchschritt, die belebtesten auf meiner bisherigen Wanderung. Ständig kam es auf den Gehsteigen und in den schmalen Gassen zu Zusammenstößen, und auch die Ansammlungen vor den nun immer häufiger eingeschlagenen Schaufenstern erhöhten die Verwirrung. Dabei schien niemand unter den sich Drängenden recht zu wissen, was für eine Art Laden er vor sich hatte. Die Vordersten suchten einen erkennbaren Gegenstand zu ertasten, die Verwegeneren drangen, ungeachtet der lebensgefährlich aufzackenden Scheibensplitter, ins Innere der Läden.
Ich fühlte mich verpflichtet, den Leuten bei ihrer Suche nach Lebensmitteln zu helfen. Sollte ich es wirklich? Führte ich sie zu einem noch ungeplünderten Laden, würden sie ihn innerhalb von fünf Minuten kahlessen und ein paar Schwächere in dem Gedränge niedertreten. Die Vorräte würden ohnedies bald erschöpft sein. Was dann? Wohin mit all den Hungernden? Vielleicht ließe sich eine kleine, ausgewählte Gruppe eine Zeit lang durchbringen; aber nach welchen Gesichtspunkten sollte ausgewählt werden? Soviel ich sann und grübelte, ich fand keinen gangbaren Weg.
Es war ein Geschehen ohne Gnade und Erbarmen. Es hieß: rauben oder beraubt werden. Einmal musste ich rasch zur Seite springen, um nicht von einem
Weitere Kostenlose Bücher