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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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älteren Mann umgerannt zu werden, der ohne Rücksicht auf etwaige Hindernisse auf die Fahrbahn stürzte, zwei Kanister mit roter Farbe gierig an sich pressend. An einer Straßenecke stand eine aufgeregte Gruppe um ein weinendes Kind herum, das zwar sehen konnte, aber zu klein war, um zu verstehen, was man von ihm wollte.
    Ich fühlte mich unwohl. Mein Bedürfnis zu helfen geriet in Widerstreit mit meinem Instinkt, der mir riet, mich herauszuhalten. Schon begannen manche, ihre übliche Zurückhaltung aufzugeben. Weil ich sehen konnte und sie nicht, fühlte ich mich schuldig. Ich hatte sogar das unangenehme Gefühl, mich zu verstecken, während ich mitten unter ihnen ging. Wie recht mein Instinkt gehabt hatte, wurde mir erst später klar.
    Ich näherte mich dem Golden Square und wollte eben um eine Ecke biegen, da stockte ich, weil ein schriller Aufschrei erscholl. Auch alle anderen hielten inne, und in dem Versuch zu erraten, woher der Schrei kam, wandten sie den Kopf hilflos in verschiedene Richtungen. Ihre Nerven mussten aufs Äußerste angespannt sein, einige Frauen begannen zu jammern, und die Männer machten sich durch Fluchen Luft. Der Schrei hatte unheilvoll geklungen.
    Und da gellte er auch schon von Neuem auf. Angstvoll und in ein Stöhnen ausklingend. Diesmal hörte ich, aus welcher Richtung er kam. Ein paar Schritte brachten mich zur Einmündung eines Gässchens.
    Etwas weiter drinnen in dem Gässchen entdeckte ich die Ursache. Auf dem Boden kauerte ein Mädchen, auf das ein stämmiger Mann mit einer dünnen Messingstange einschlug. Das Kleid der Geschlagenen war am Rücken aufgerissen, die Haut mit roten Striemen bedeckt, ihre Hände waren auf den Rücken gebunden und mit einem Strick an das linke Handgelenk des Mannes gefesselt.
    Ich konnte gerade noch einen neuen Hieb abfangen. Es war leicht, dem Überraschten die Stange zu entwinden und sie auf seine Schulter niedersausen zu lassen. Sofort trat er mit seinem schweren Stiefel in meine Richtung, aber ich hatte mich rasch weggeduckt, und sein Aktionsradius war durch die Handfessel begrenzt. Er schlug noch einmal in die Luft, während ich in meiner Tasche nach einem Messer suchte. Da er mich nicht traf, drehte er sich zu dem Mädchen um und versetzte ihr stattdessen noch einen Tritt. Dann beschimpfte er sie und zerrte an dem Strick, um sie auf die Füße zu zwingen. Ich versetzte ihm einen Faustschlag gegen den Kopf, gerade hart genug, um ihn zu stoppen – denn einen Blinden k. o. zu schlagen, konnte ich mich nicht überwinden. Ehe er sein Gleichgewicht wiedererlangte, hatte ich den Strick, der die beiden verband, durchgeschnitten. Ein leichter Stoß vor die Brust, und er taumelte zurück und verlor dabei die Orientierung. Als er zu einem gewaltigen Hieb ausholte, traf er daher nicht mich, sondern die Ziegelmauer. Ich half dem Mädchen auf, knüpfte die Fesseln los und führte sie, während er noch immer fluchte und schimpfte, aus dem Gässchen.
    Als wir in die Straße einbogen, erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Sie wandte mir ein verschmiertes und verweintes Gesicht zu und blickte mich an.
    »Sie sehen ja!«, rief sie ungläubig.
    »Gewiss«, bestätigte ich.
    »Oh, Gott sei Dank! Gott sei Dank! Ich glaubte schon, ich wäre die Einzige«, sie brach wieder in Tränen aus.
    Ich musterte die Gegend. Ein Stück weiter fand sich ein kleinerer, noch heil gebliebener Pub. Ein kräftiger Stoß mit der Schulter sprengte die Tür in den Schankraum auf. Ich führte meine Begleiterin zu einem Sessel. Einen zweiten zertrümmerte ich, um mittels der Stuhlbeine die Tür vor weiteren Besuchern zu sichern. Dann erst wandte ich meine Aufmerksamkeit den Stärkungsmitteln im Schankregal zu.
    Sie nippte an ihrem ersten Drink und schniefte. Ich ließ ihr Zeit, sich zu beruhigen. Ich drehte mein Glas in der Hand und lauschte dem ziemlich düsteren Song aus dem Pub nebenan:
    My love’s locked up in a frigidaire, And my heart’s in a deep-freeze pack. She’s gone with a guy, I’d not know where, But she wrote that she’d never come back. Now she don’t care for me no more I’m just a one-man frozen store, And it ain’t nice To be on ice With my love locked up in a frigidaire, And my heart in a deep-freeze pack.
    Dann und wann warf ich einen verstohlenen Blick auf das Mädchen. Die Kleider, oder was davon übrig war, schienen von guter Qualität. Das Haar war dunkelblond. Das jetzt noch entstellte, verweinte und schmutzige Gesicht mochte hübsch sein. Sie war etwas

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