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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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kleiner als ich, schlank, doch nicht mager. Sie sah so aus, als ob sie, wenn es drauf ankäme, Kraft und Energie aufbringen könnte. Bisher hatte sie diese Energie vermutlich nur darauf verwendet, Tennisbälle zu treffen, zu tanzen und womöglich ein Pferd zu zügeln. Wohlgeformte Hände, gepflegte Fingernägel, alles eher dekorativ als praktisch.
    Nachdem sie das erste Glas, das ich ihr reichte, geleert hatte, begann sie: »Lieber Gott, ich muss furchtbar aussehen.«
    Außer mir war niemand da, der das hätte bemerken können, aber ich sagte nichts.
    Sie stand auf und trat vor einen Wandspiegel.
    »Richtig furchtbar«, stellte sie fest. »Wo …?«
    »Versuchen Sie es dort.« Ich wies ihr die Richtung.
    Etwa zwanzig Minuten vergingen, ehe sie zurückkam. Sie hatte die Zeit gut genutzt, wenn man die bescheidenen Umstände bedenkt. Jetzt sah sie mehr wie eine Schauspielerin aus, die in einer Schlägereiszene mitgewirkt hatte, nicht wie ein wirkliches Opfer.
    »Zigarette?«, fragte ich und schob ihr ein zweites Glas hin.
    Sie erholte sich zusehends, und wir tauschten unsere Erlebnisse aus. Um ihr Zeit zu geben, erzählte ich als Erster. Dann begann sie: »Ich schäme mich ganz furchtbar. Ich bin nämlich gar nicht so, ich meine, nicht so, wie Sie mich gefunden haben. Ich kann mich sonst auf mich ver lassen. Aber es war einfach zu viel, und mir gingen die Nerven durch. Ich glaubte, ich sei die Einzige auf der ganzen Welt, die noch sehen konnte. Der Schreck warf mich um.«
    »Machen Sie sich nichts daraus«, tröstete ich sie. »Wir werden sicher bald noch ganz andere Überraschungen erleben.«
    »Ich mache mir aber etwas daraus. Wenn man gleich anfangs so versagt …«, sie ließ den Satz unvollendet.
    »Ich war auch einer Panik ziemlich nahe«, gestand ich. »Wir sind eben Menschen und nicht Maschinen.«
    Sie hieß Josella Playton. Der Name kam mir irgendwie bekannt vor, ich wusste aber nicht, woher. Sie wohnte in der Dene Road, St. John’s Wood. Ich kannte die Dene Road. Komfortable Häuser, hässlich zumeist, innen kostspielig. Auch sie verdankte ihr Augenlicht dem Zufall. Am Montagabend war sie auf einer Party gewesen.
    »Irgendein Spaßvogel, der so etwas für lustig hält, muss unsere Drinks verstärkt haben«, erklärte sie. »Mir war noch nie so übel wie am Ende dieser Party. Und ich hatte wirklich nicht viel getrunken.«
    Dienstag, erinnerte sie sich, war ihr hundeelend zumute. Um vier Uhr nachmittags hatte sie es endgültig satt. Sie klingelte und gab Anweisung, sie wolle nicht gestört werden, auch wenn die Welt untergehen und der Jüngste Tag anbrechen sollte. Nach diesem Ultimatum nahm sie ein starkes Schlafmittel, das auf den leeren Magen wie ein Keulenschlag wirkte.
    Sie lag wie ausgelöscht da und wusste von nichts, bis sie heute früh von ihrem Vater geweckt wurde, der in ihr Zimmer stolperte.
    »Josella«, sagte er, »versuche um Gottes willen, Doktor Mayle zu erreichen. Sage ihm, dass ich blind bin, stockblind.«
    Hastig kleidete sie sich an. Kein Klingeln brachte das Dienstpersonal herbei. Zu ihrem Entsetzen fand sie, dass alle blind waren.
    Auch das Telefon war gestört, es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich selbst ins Auto zu setzen, um den Arzt zu holen. Die lautlosen Straßen und die vollkommene Verkehrsstille hatten sie befremdet, erst nachdem sie fast eine Meile gefahren war, dämmerte ihr, was sich ereignet hatte. In ihrem ersten Schrecken wollte sie sogleich wieder umkehren, dann besann sie sich, denn niemandem wäre damit geholfen gewesen. Vielleicht war der Arzt, ebenso wie sie selbst, von dieser Krankheit oder was es war, verschont geblieben. Mit verzweifelter, aber schon sinkender Hoffnung hatte sie die Fahrt fortgesetzt.
    Mitten auf der Regent Street begann der Motor zu knattern und setzte aus; zuletzt stand er still. Sie hatte, ohne in der Aufregung darauf zu achten, den Reservetank leergefahren.
    Sie stieg aus dem Wagen, um den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Sie hatte die Wagentür eben hinter sich zugeschlagen, als sie angerufen wurde: »Hallo! Nur eine Minute, Kamerad!«
    Sie wandte sich um und sah einen Mann näher tappen.
    »Was ist?«, fragte sie, vom Aussehen des Näherkommenden nicht eben eingenommen.
    Sein Verhalten änderte sich, als er ihre Stimme hörte.
    »Habe mich verirrt. Weiß nicht, wo ich bin«, sagte er.
    »Das hier ist die Regent Street«, informierte sie ihn. Sie wandte sich um, um zu gehen.
    »Führen Sie mich doch an den Randstein, Fräulein, bitte«,

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