Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
Vom Netzwerk:
war es doch«, sagte sie, ihrem Spiegelbild eine Kusshand zuwerfend.
    »Gute Nacht, Sie schönes Traumbild«, verabschiedete ich mich. Ein schwaches Lächeln erhellte ihr Gesicht, dann verschwand sie hinter der Tür wie ein Nebelstreif.
    Ich schenkte mir noch einen letzten Schluck des wundervollen Brandys ein, wärmte das Glas in meiner Hand und schlürfte es leer.
    »Nie wieder wirst du so etwas zu sehen bekommen«, monologisierte ich. »Nie wieder. Sic transit …«
    Und dann, bevor mich der Trübsinn endgültig überwältigte, suchte ich mein bescheidenes Nachtlager auf.
    Ich war schon behaglich ausgestreckt, am Einschlummern, als es an die Tür klopfte.
    »Bill«, ertönte Josellas Stimme, »kommen Sie rasch. Da ist ein Licht!«
    »Was für ein Licht?«, fragte ich, aus dem Bett kletternd.
    »Draußen. Kommen Sie und sehen Sie sich’s an.«
    Es war ein Licht. Von ihrem Schlafzimmerfenster, das meiner Schätzung nach nach Nordost ging, konnte ich einen hellen Lichtkegel sehen, dem eines Scheinwerfers ähnlich, der bewegungslos nach oben zeigte.
    »Dort muss doch jemand sein, der sehen kann«, erklärte Josella.
    »Sicher«, stimmte ich zu.
    Ich versuchte, die Stelle zu bestimmen, von der das Licht ausging, aber die ringsum herrschende Finsternis vereitelte diesen Versuch. Weit weg war es nicht, dessen war ich sicher, und da es mitten im Luftraum zu entstehen schien, kam es vermutlich von einem hohen Gebäude. Ich zögerte.
    »Warten wir bis morgen früh«, entschied ich.
    Eine Wanderung durch die finsteren Straßen hatte nichts Verlockendes. Und es war möglich – unwahrscheinlich, aber immerhin möglich –, dass es eine Falle war. Sogar ein Blinder, der geschickt und verzweifelt genug war, könnte die richtigen Kontakte schalten.
    Ich hockte mich nieder, die Augen in der Höhe des Fensterbretts, und kerbte mit einer Nagelfeile in der Richtung der Lichtquelle eine Linie in das Holz. Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück.
    Eine Stunde oder länger lag ich wach. Die Nacht vertiefte die Stille und machte die Laute, die sie unterbrachen, trostloser. Von Zeit zu Zeit klangen Stimmen von der Straße herauf, schrill und hysterisch. Einmal gellte ein Schrei auf, in dem der Irrsinn zu frohlocken schien. Irgendwo in der Nähe ertönte ein Schluchzen endlos und hoffnungslos fort. Zweimal hörte ich den scharfen Knall von Pistolenschüssen … Ich fühlte meine Dankesschuld gegenüber dem – was immer es war –, das Josella und mich zusammengeführt hatte.
    Alleinsein war jetzt das Fürchterlichste. Allein war man nichts. Gemeinschaft hieß ein Ziel haben, und ein Ziel verscheuchte Angst und Panik.
    Um die Laute nicht zu hören, dachte ich an das, was morgen und übermorgen und an den folgenden Tagen getan werden musste; ich grübelte, was wohl der Lichtstrahl bedeuten konnte. Aber das im Hintergrund andauernde Schluchzen mahnte mich an die Dinge, die ich tagsüber gesehen hatte und morgen wieder sehen würde …
    Als die Tür aufging, fuhr ich erschreckt empor. Es war Josella, sie trug eine brennende Kerze. Ihre Augen waren groß und umschattet; sie hatte geweint.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte sie. »Ich habe Angst, entsetzliche Angst. Hören Sie sie – all die armen Menschen? Ich kann es nicht ertragen …«
    Sie kam wie ein Kind, das Trost sucht. Ich weiß nicht, wer von uns beiden trostbedürftiger war.
    Sie schlief früher ein als ich, mit dem Kopf an meiner Schulter.
    Noch immer ließen mir die Bilder des vergangenen Tages keine Ruhe. Endlich kam auch für mich der Schlaf. Mein letzter Gedanke galt der sanften, traurigen Stimme des Mädchens, das gesungen hatte:
    So werden wir nicht mehr schweifen …

6 Zusammenkunft
    6
    Zusammenkunft
    Als ich aufwachte, konnte ich Josella schon in der Küche rumoren hören. Auf meiner Uhr war es kurz vor sieben. Während ich mich rasierte und anzog, verbreitete sich der Duft von getoasteten Brötchen und Kaffee durch die Wohnung. Ich fand Josella bei der Vorbereitung des Frühstücks; sie hielt eine Pfanne über den Petroleumofen. Etwas Selbstsicheres und Praktisches war in ihrem Wesen; keine Spur mehr von den Schrecken der vergangenen Nacht. »Wir müssen mit Kondensmilch vorliebnehmen«, informierte sie mich. »Der Kühlschrank funktioniert nicht. Sonst ist alles in Ordnung.«
    Einen Augenblick lang war es schwierig, in dem zweckmäßig gekleideten Mädchen die Ballschönheit des vergangenen Abends zu erkennen. Sie trug nun einen dunkelblauen Skianzug, weiße Socken,

Weitere Kostenlose Bücher