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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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Noch immer wehrte sich mein Gefühl gegen die Ungeheuerlichkeit des Geschehens. Und doch wusste ich, es war keinesfalls das erste Mal, dass so etwas geschah. Unter dem Wüstensand und vom asiatischen Dschungel überwuchert liegen die Überreste großer Städte. Manche waren vor so langer Zeit untergegangen, dass sogar ihre Namen mit ihnen verschwunden waren. Aber die Menschen, die dort lebten, hatten ihren Untergang für ebenso unwahrscheinlich oder unmöglich gehalten, wie ich das Absterben einer modernen Großstadt …
    Es ist eine der hartnäckigsten und tröstlichsten Illusionen der Menschheit, darauf zu vertrauen, dass »so etwas hier unmöglich passieren kann«, dass die eigene Lebenszeit und die eigene Umwelt vor Katastrophen gefeit sind, dachte ich. Und nun war es doch passiert. Wenn nicht ein Wunder geschähe, blickte ich auf den Anfang vom Ende Londons, waren andere in diesem Augenblick Zeugen des Untergangs von New York, Paris, San Francisco, Buenos Aires, Bombay und all der übrigen Metropolen, die nun das Schicksal der vom Dschungel überwucherten Städte teilen würden.
    Ich sah noch immer hinaus, als ich hinter mir ein Geräusch hörte. Ich drehte mich um. Josella war eingetreten. Sie trug ein langes Abendkleid aus blassblau getönter Georgetteseide und ein Jäckchen aus weißem Zobel. Im Ausschnitt ihres Kleides blitzte eine Diamantbrosche, und kleinere Steine funkelten an ihren Ohrgehängen. Haar und Gesicht schimmerten, als käme sie eben aus einem Schönheitssalon. Als sie über den Fußboden schritt, glitzerte es silbern von ihren Schuhen, und ein Stück seidiges Bein wurde sichtbar. Ich starrte sie wortlos an. Das Lächeln um ihren Mund erlosch.
    »Gefällt es Ihnen nicht?«, fragte sie kindlich enttäuscht.
    »Doch, es gefällt mir – Sie sind schön«, sagte ich. »Ich war nur nicht gefasst auf so etwas …«
    Worte der Hilflosigkeit. Ich wusste, dass sie sich nicht für mich schön gemacht hatte, und fragte: »Eine Abschiedsfeier?«
    Ein anderer Ausdruck kam in ihre Augen. »Sie verstehen mich also. Ich habe es gehofft.«
    »Es wird später einmal eine schöne Erinnerung sein«, sagte ich. Ich nahm sie bei der Hand und führte sie ans Fenster.
    »Ich habe auch Abschied genommen – von all dem.«
    Was in ihrem Kopf vorging, als wir da Seite an Seite standen, bleibt ihr Geheimnis. In mir lief kaleidoskopartig mein bisheriges Leben ab, das nun zu Ende ging – vielleicht war es mehr wie das Blättern in einem riesigen Fotoalbum mit einem allumfassenden »Weißt du noch?«.
    Lange schauten wir so hinaus; gedankenverloren. Dann seufzte sie. Sie blickte an ihrem Kleid hinunter und streifte mit den Fingerspitzen über die zarte Seide.
    »Ich bin wohl dumm? Götterdämmerung?« Um ihren Mund zuckte ein schmerzliches Lächeln.
    »Nein«, sagte ich. »Sie haben einen guten Gedanken gehabt, und ich danke Ihnen. Es ist eine Mahnung, dass mit dem, was nun untergeht, auch viel Schönes versinkt. Sie hätten mir kein schöneres Bild vor Augen bringen können.«
    Der schmerzliche Ausdruck in ihrem Lächeln verschwand.
    »Danke, Bill.« Sie schwieg. Dann sagte sie: »Habe ich mich schon bei Ihnen bedankt? Ich glaube nicht. Wenn Sie nicht gewesen wären …«
    Ich fiel ihr ins Wort. »Und wenn Sie nicht gewesen wären, läge ich jetzt wahrscheinlich jämmerlich betrunken in einer Bar. Ich bin Ihnen nicht weniger Dank schuldig. Alleinsein ist jetzt für uns nicht gut.« Ich wechselte das Thema und fügte hinzu: »Was Getränke anlangt, so gibt es hier noch einen famosen Amontillado und eine Reihe anderer Sorgenbrecher. Mit dieser Wohnung haben wir einen Haupttreffer gemacht.«
    Ich schenkte den Sherry ein, und wir hoben die Gläser.
    »Auf Gesundheit, Kraft und Glück«, sagte ich.
    Sie nickte. Wir tranken.
    Als wir eine offensichtlich sündteure Pastete in Angriff nahmen, fragte Josella: »Und wenn nun plötzlich der Wohnungsinhaber hereinkäme?«
    »Wir wären ihm jedenfalls eine Erklärung schuldig. Aber ich glaube, der Fall ist unwahrscheinlich. Und er oder sie wären sicher froh, jemanden zu haben, der sehen kann, was in den verschiedenen Flaschen ist.«
    »Ja«, stimmte sie nachdenklich zu, »der Fall ist unwahrscheinlich. Ich möchte nur wissen …« Sie ließ den Blick durch das Zimmer schweifen, bis er an einer gerillten Konsole haften blieb. »Haben Sie schon das Radio probiert – das Ding dort ist ja wohl ein Radio, nicht?«
    »Und einen Fernsehempfänger gibt es auch«, erklärte ich. »Aber

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