Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
unsympathisch waren. Und die netten waren ängstlich oder schockiert. Und dabei war das Buch alles andere als anrüchig – mehr Effekthascherei; jeder vernünftige Mensch hätte das sehen müssen.«
Sie hielt inne. Es lag mir auf der Zunge, ihr zu sagen, dass die vernünftigen Leute wahrscheinlich dachten: wie das Buch, so die Autorin. Ich unterdrückte diese Bemerkung. Wir alle haben in unserer Jugend Dummheiten begangen, an die wir ungern zurückdenken – aber die meisten Leute tun sich schwer damit, etwas, das finanziell erfolgreich war, als jugendliche Narretei abzutun.
»Danach war alles wie verhext«, klagte sie. »Um mich abzulenken, habe ich ein neues Buch angefangen. Ich bin froh, dass ich es nun nicht zu Ende schreiben werde – es wäre eine sehr bittere Geschichte geworden.«
»Und nun«, schlug ich vor, »ist es Zeit, eine Art Schlachtplan zu entwerfen. Darf ich ein paar allgemeine Bemerkungen vorausschicken?«
Wir hatten es uns in zwei üppigen Lehnsesseln bequem gemacht. Auf dem niederen Tischchen zwischen uns standen die Mokkamaschine und zwei Gläser. Das Josellas war das kleine mit dem Cointreau. Das edle Kelchglas mit dem unbezahlbaren Brandy war für mich. Josella blies ein Rauchwölkchen in die Luft und nippte an ihrem Glas. Sie genoss das Aroma; dann sagte sie: »Ob wir wohl jemals wieder frische Orangen essen werden? – Okay, schießen Sie los.«
»Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir müssen fort. Und zwar möglichst bald. Man kann schon jetzt erkennen, was hier passieren wird. Noch ist Wasser da. Nicht mehr lange. Dann wird die ganze Stadt zu stinken anfangen wie eine Kloake. Schon jetzt liegen Leichen in den Straßen – jeden Tag werden es mehr sein.« Sie schauderte. Ich hatte vergessen, dass ich hier eine frische Wunde berührte. Rasch fügte ich hinzu: »Jederzeit können Cholera, Typhus und Gott weiß was ausbrechen. Wir müssen vorher fort.«
Sie nickte zustimmend.
»Die nächste Frage wäre: Wohin? Haben Sie einen Vorschlag?«, fragte ich.
»Jedenfalls irgendwohin, wo wir dem entgehen. An einen Ort, wo es Wasser gibt, etwa einen Brunnen. Und dann, glaube ich, wird es gut sein, einen hoch gelegenen Ort zu wählen mit reiner Luft und frischem Wind.«
»An Luft und Wind habe ich gar nicht gedacht«, sagte ich, »aber Sie haben recht. Ein hoch gelegener Ort mit guter Wasserversorgung – so etwas lässt sich nicht im Handumdrehen finden.« Ich überlegte. Im Lake District? Zu weit weg. Und Wales? Exmoor oder Dartmoor vielleicht? Oder gleich nach Cornwall hinunter? Um Land’s End etwa, wo der vorherrschende Südwestwind reine Luft vom Atlantik brachte. War leider auch weit weg.
»In den Sussex Downs vielleicht?«, meinte Josella. »Ich kenne da im Norden ein altes Bauernhaus, mit Blick nach Pulborough hinüber. Es liegt zwar nicht direkt auf der Höhe, aber doch ziemlich hoch. Ein Windrad pumpt das Wasser hinauf, und sie haben auch eigenen Strom, glaube ich. Es ist alles umgebaut und modernisiert worden.«
»Das wäre das Richtige. Aber ziemlich nahe an dicht besiedelten Gebieten. Glauben Sie nicht, dass wir weiter weg sollten?«
»Ich überlege gerade. Wie lange wird es dauern, bis man eine Stadt wieder ohne Gefahr aufsuchen kann?«
»Keine Ahnung«, bekannte ich. »Etwa ein Jahr, schätze ich mal.«
»Wenn wir zu weit weggehen, werden wir später mit der Versorgung Schwierigkeiten haben.«
»Das ist sicher zu berücksichtigen«, gab ich zu.
Wir vertagten die Erörterung dieser Frage und wandten uns den Einzelheiten unseres Umzugs zu. Am nächsten Morgen sollte zuerst einmal ein geräumiges Lastauto herangeschafft werden, und nun stellten wir gemeinsam eine Liste der Gegenstände zusammen, die wir aufladen wollten. Die Abfahrt setzten wir auf den nächsten Abend fest, wenn wir es bis dahin schaffen konnten; wenn nicht – und der Umfang der Liste ließ mich daran zweifeln –, wollten wir noch eine Nacht in London riskieren und erst am folgenden Tag wegfahren.
Es ging schon auf Mitternacht, als die Liste fertig war. Sie hatte viel Ähnlichkeit mit einem Warenhauskatalog. Aber auch wenn sie nur dazu gedient hätte, uns an diesem Abend Ablenkung zu verschaffen, wäre es der Mühe wert gewesen.
Josella gähnte und erhob sich.
»Müde«, meinte sie. »Und da warten seidene Laken in einem fantastischen Bett.«
Sie schien über den dicken Teppich zu schweben. Die Hand am Türgriff, hielt sie inne, um sich feierlich in einem großen Wandspiegel zu betrachten.
»Schön
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