Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
siebzig groß, graublaue Augen«, beharrte ich.
»Eine Blonde von der Größe ist da, glaube ich. Die Augen habe ich mir nicht angeschaut. Habe Wichtigeres zu tun.« Und damit ging er.
Ich studierte die Karte. Sehr begeistert war ich von dem mir zugewiesenen Distrikt nicht. Vorstadt, gute Luft; aber für unsere Zwecke wäre ein Bezirk mit Magazinen und Lagerhäusern besser gewesen. Es war fraglich, ob da überhaupt größere Lebensmitteldepots zu finden waren. Nun, »es kann nicht jeder einen Haupttreffer landen«, wie Alf es zweifellos ausgedrückt hätte – und ich hatte ja auch nicht die Absicht, länger zu bleiben, als unbedingt nötig war.
Als Alf wieder erschien, fragte ich ihn, ob er Josella eine Nachricht überbringen könne. Er schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Chef. Ist nicht erlaubt.«
Obwohl ich ihm versprach, dass der Zettel harmlos sein würde, blieb er fest. Was ich ihm im Grunde nicht verargen konnte. Er hatte keine Ursache, mir zu vertrauen, und lesen konnte er den Zettel nicht, um festzustellen, ob er wirklich so harmlos war, wie ich behauptete. Nichts zu wollen, zumal ich ja auch weder Papier noch Bleistift hatte. Nach einigem Drängen versprach er, Josella von meiner Anwesenheit zu benachrichtigen und sich zu erkundigen, in welchen Distrikt sie gesendet wurde. Er gab dieses Versprechen ungern, sah aber ein, falls eine Rettungsaktion startete, würde es für mich leichter sein, Josella zu finden, wenn ich wusste, wo ich mit der Suche beginnen konnte.
Nachher blieb ich eine Weile mit meinen Gedanken allein.
Das Übel war, ich hatte mich noch immer nicht klar und endgültig für einen bestimmten Weg entschieden. Mich überzeugten die Argumente beider Seiten. Auf lange Sicht sprach der gesunde Menschenverstand für Michael Beadley und seine Schar. Und zweifellos hätten Josella und ich, wenn alles gutgegangen wäre, uns ihr angeschlossen. Aber ich wusste auch, ganz wohl hätte ich mich nicht gefühlt. Nie wäre ich ganz überzeugt gewesen, dass nichts für das sinkende Schiff hätte geschehen können; nie ganz sicher, dass es nicht rein egoistische Erwägungen waren, von denen ich mich hatte leiten lassen. Bestand keine Aussicht auf eine organisierte Rettungsaktion, dann war der Plan zu bergen, was geborgen werden konnte, vernünftig. Nur ist leider das Vernünftige nicht die einzige Triebkraft im Bereich des Menschlichen. Ich sah mich jener Grundvoraussetzung gegenüber, von der der alte, weißhaarige Professor gesagt hatte, es sei so schwer, gegen sie anzukämpfen. Er hatte nur allzu recht; die Anwendung neuer Prinzipien war schwierig. Angenommen, ein Wunder brachte Rettung, dann wusste ich genau, wie lausig ich mir vorkommen würde, dass ich, aus welchen Gründen auch immer, desertiert war; wie ich mich und die anderen verachten würde, dass wir nicht in London ausgeharrt und geholfen hatten, solange noch zu helfen war.
Käme aber andererseits keine Hilfe, mit welchen Gefühlen würde ich dann auf die vergeudete Zeit, die verschwendete Mühe blicken, wenn stärkere Charaktere aus dem Zusammenbruch zu retten suchten, was gerettet werden konnte?
Ich wusste, ich hätte sofort und ein für allemal eine Entscheidung treffen und dann dabei bleiben sollen. Aber ich vermochte es nicht. Ich war unschlüssig. Und ich war immer noch unschlüssig, als ich einige Stunden später einschlief.
Es gab kein Mittel zu erfahren, wozu Josella sich entschlossen hatte. Ich hatte keinerlei persönliche Nachricht von ihr erhalten. Nur einmal während des Abends hatte Alf den Kopf hereingesteckt. Seine Mitteilung war kurz.
»Westminster«, meldete er. »Menschenskind! Schätze, die werden im Parlamentsgebäude kaum viel Futter finden.«
Am nächsten Morgen wurde ich zeitig von Alf geweckt. Er kam in Begleitung eines großen, kräftigen Mannes mit unsteten Augen, der ostentativ an einem Schlachtermesser fingerte. Alf trat zu mir und ließ einen Armvoll Kleidung auf mein Bett fallen. Sein Gefährte schloss die Tür, lehnte sich dagegen und beobachtete mich, mit dem Messer spielend.
»Reichen Sie einmal die Hände her, Kamerad«, sagte Alf.
Ich hielt sie ihm hin. Er tastete nach dem Draht um die Gelenke und zwickte ihn mit einer Beißzange durch.
»Und jetzt ziehen Sie die Sachen da an, Kollege«, erklärte er, zurücktretend.
Ich kleidete mich an, während der Mann mit dem Messer jeder meiner Bewegungen mit Falkenblicken folgte. Als ich fertig war, brachte Alf ein Paar Handschellen zum Vorschein. »Und
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