Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)
hätte gedacht, dass so etwas passiert!«
Ich erwiderte nichts. Alf gehörte nicht zu denen, die man mit billigem Trost aufmuntern konnte.
»So sehen Sie es doch auch?«, fragte er nach einer kleinen Pause.
»Rosig sieht es nicht gerade aus«, gestand ich. »Aber eine Möglichkeit ist immer noch da – vielleicht kommt Hilfe von auswärts …«
Er schüttelte den Kopf.
»Müsste schon da sein. Lautsprecherwagen würden durch die Straßen fahren, und man würde uns Anweisungen geben, was wir tun sollen. Nein, Kollege, diesmal hat’s uns erwischt: Niemand wird von irgendwoher kommen. So steht die Sache.«
Wir schwiegen eine Weile.
»Vorbei ist vorbei«, meinte er. »War gar nicht so übel, das alte Leben, hat sich gelohnt, solange es dauerte.«
Wir unterhielten uns noch ein wenig über sein Leben. Er hatte sich in mehr als einem Beruf versucht, jeder war, wie es schien, mit interessanten Undercoveraufgaben verbunden gewesen. Er zog Bilanz: »Im Großen und Ganzen bin ich auf meine Rechnung gekommen. Was haben Sie getan?«
Ich sagte es ihm. Imponierte ihm nicht sehr.
»Triffids, puh! Scheußliche Dinger, eigentlich unnatürlich, kommt es mir vor.«
Damit ließen wir es gut sein.
Alf ging, und ich blieb mit meinen Gedanken und einem Paket Zigaretten allein. Ich dachte über die Lage nach. Sie gefiel mir nicht. Gern hätte ich gewusst, was die anderen dazu sagten. Insbesondere Josella.
Ich stieg aus dem Bett und trat ans Fenster. Keine erfreuliche Aussicht. Ein schmaler Lichthof, glatte, weiße Mauern ringsum, vier Stock tief unten ein Glasdach. In dieser Richtung war nicht viel zu machen. Die Tür hatte Alf zwar hinter sich abgesperrt, aber ich probierte sie auf alle Fälle. Nichts hier brachte mich auf einen Einfall. Ein leeres Zimmer in einem drittklassigen Hotel. Vollkommen leer bis auf das Bett.
Ich setzte mich wieder aufs Bett und überlegte. Ich konnte es vielleicht mit Alf aufnehmen; auch mit meinen gefesselten Händen. Falls er kein Messer hatte. Aber wahrscheinlich hatte er eins, und das konnte unangenehm werden. Ein Blinder durfte mit einem Messer nicht bloß drohen, das war klar, er musste es gebrauchen. Und vorher musste ich mich vergewissern, welche weiteren Hindernisse zu überwinden waren, ehe ich ins Freie gelangte. Überdies hatte ich nichts gegen Alf. Das Klügste schien abwarten. Für einen Sehenden unter Blinden musste sich doch einmal eine Gelegenheit ergeben.
Eine Stunde später kam Alf wieder, er brachte mir etwas zu essen, einen Löffel und noch einmal Tee.
»Rau, aber herzlich«, entschuldigte er sich. »Messer und Gabel sind verboten. Müssen sich eben so behelfen.«
Beim Essen erkundigte ich mich nach den anderen. Er kannte keine Namen und konnte mir daher nicht viel sagen, aber er berichtete, dass man auch Frauen hergebracht hatte. Nachher blieb ich einige Stunden allein; ich verschlief sie, um auf diese Art meine Kopfschmerzen loszuwerden.
Als Alf erneut aufkreuzte, mit Essen und der unvermeidlichen Teekanne, kam er nicht allein. Coker begleitete ihn. Er sah etwas müder aus als an dem Tag, da ich ihn das erste Mal erblickt hatte. Er trug ein Bündel Papiere unter dem Arm. Er schaute mich prüfend an.
»Sie wissen Bescheid?«, fragte er.
»Was Alf mir erzählt hat«, antwortete ich.
»Gut.« Er legte den Papierstapel aufs Bett, nahm das oberste Blatt und entfaltete es. Es war eine Straßenkarte von London und Umgebung. Er wies auf eine mit dicken blauen Bleistiftstrichen eingerahmte Stelle, die einen Teil von Hampstead und Swiss Cottage umschloss.
»Das ist Ihr Gebiet«, erklärte er. »In diesem Revier arbeitet Ihre Gruppe und wechselt in kein anderes hinüber. Nicht alle können die gleiche Stelle abgrasen. Ihre Aufgabe ist es, innerhalb dieses Reviers Lebensmittel aufzustöbern für Ihre Gruppe – und was sie sonst noch braucht. Verstanden?«
»Oder?«, entgegnete ich, ihn anblickend.
»Oder Ihre Gruppe wird hungrig bleiben. Wäre schlimm für Sie. Sind Jungens darunter, die keinen Spaß verstehen. Seien Sie also vorsichtig. Morgen früh werden Sie und Ihre Schar in einem Lkw hingefahren. Sehen Sie zu, dass Sie die Leute durchbringen, bis Hilfe kommt.«
»Und wenn keine kommt?«, fragte ich.
»Es muss Hilfe kommen«, sagte er verbissen. »Auf jeden Fall wissen Sie, was Sie zu tun haben – und bleiben Sie in Ihrem Revier.«
Als er sich zum Gehen wandte, fragte ich: »Ist eine Miss Playton hier?«
»Die Namen kenne ich nicht«, erwiderte er.
»Blond, etwa eins
Weitere Kostenlose Bücher