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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (www.Boox.bz) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Wyndham
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nächsten, sondern sehr viel später – stand ich wieder am Piccadilly Circus und blickte auf die Verwüstung; dabei versuchte ich, mich an das einstige Menschengewimmel hier zu erinnern. Ich sah es nicht mehr vor mir. Nicht einmal in meiner Erinnerung hatten diese Menschen noch Realität. Es war keine Spur mehr von ihnen da. Sie waren so sehr zur historischen Kulisse geworden wie das Volk im römischen Kolosseum oder die Armee der Assyrer, und aus irgendeinem Grund genauso weit entrückt. Die Wehmut, die mich in stillen Stunden manchmal beschlich, weckte mehr Trauer in mir als dieser Schauplatz des Zerfalls selbst. War ich auf dem Land allein, konnte ich mich an die Freuden des früheren Lebens erinnern; umgeben von den verlassenen, langsam zerfallenden Gebäuden hier schien ich mir nur das Durcheinander, die Enttäuschung, das ziellose Umherirren, das durchdringende Scheppern leerer Gefäße ins Gedächtnis rufen zu können, und ich fragte mich, was wir wirklich verloren hatten.
    Meine erste Probefahrt nach London unternahm ich allein; zurück brachte ich Kisten mit Triffidbolzen, Papier, Maschinenteile, die von Dennis so heiß begehrten Bücher in Blindenschrift und die Schreibmaschine, einige Luxuswaren wie Getränke, Süßigkeiten, Grammophonplatten, und Bücher für uns alle. Eine Woche später begleitete mich Josella auf eine mehr praktische Suche nach Wäsche und Kleidern, nicht nur oder nicht in erster Linie für uns Erwachsene, sondern für Marys Baby und das, welches sie nun selbst erwartete. Der Besuch verursachte einen Schock und blieb ihr einziger.
    Ich fuhr weiterhin von Zeit zu Zeit in die tote Riesenstadt, die eine oder andere benötigte Rarität zu holen, und nahm bei dieser Gelegenheit immer einige Luxusgegenstände mit. Nie bekam ich etwas zu sehen, das sich bewegte, ein paar Spatzen und vereinzelte Triffids ausgenommen. Auf dem Land gab es Hunde und Katzen, die mit jeder Generation wilder wurden, aber nicht hier. Manchmal jedoch fand ich Spuren, die davon zeugten, dass außer mir noch andere hier nach Vorräten zu stöbern pflegten, aber ich sah nie jemanden.
    Es war am Ende des vierten Jahres, als ich meinen letzten Ausflug dorthin machte und einsehen musste, dass diese Fahrten nun mit Wagnissen verbunden waren, die ich nicht auf mich nehmen durfte. Die erste Warnung war ein Donnergetöse hinter mir, irgendwo im Stadtzentrum. Ich hielt meinen Lastwagen an und blickte zurück, wo eine Staubwolke von einem Trümmerhaufen aufstieg, der quer über der Straße lag. Offenbar hatte die Erschütterung, die mein Fahrzeug verursachte, einer wackligen Fassade den letzten Stoß gegeben. Ich brachte keine weiteren Häuser zum Einsturz an diesem Tag, verlebte ihn aber in ständiger Angst vor einer neuen Schuttlawine. In der Folgezeit besuchte ich nur kleinere Orte, und gewöhnlich zu Fuß.
    Brighton, welches unsere nächste und ergiebigste Bezugsquelle gewesen wäre, mied ich. Zurzeit, da ich es für besuchsreif hielt, hatten dort schon andere das Kommando übernommen. Wer und wie viele, blieb mir unbekannt. Ich fand die Zufahrtsstraße durch eine aus Steinen aufgeschichtete, primitive Barrikade verrammelt und mit der aufgemalten Warnung versehen:
    ACHTUNG! SPERRZONE!
    Dieser Ankündigung verlieh ein Gewehrschuss Nachdruck, der den Staub vor meinem Wagen aufwirbelte. Niemand war in Sicht, mit dem man hätte verhandeln können – freilich gab es ja auch keinen Grund für Verhandlungen.
    Ich machte kehrt und fuhr nachdenklich zurück. Ich fragte mich, ob nicht eine Zeit kommen würde, wo die Verteidigungsmaßnahmen des Mannes Stephen sich vielleicht doch nicht als völlig überflüssig erweisen würden. Jedenfalls holte ich vorsichtshalber ein paar Maschinengewehre und Mörser aus dem Lager, das uns auch die Flammenwerfer gegen die Triffids geliefert hatte.
    Im November dieses zweiten Jahres kam Josellas erstes Baby zur Welt. Es war ein Knabe, und wir nannten ihn David. Meine Freude an ihm war zuzeiten nicht ungetrübt, wenn ich an die Welt dachte, die wir ihm hinterlassen würden. Josella beunruhigte das weit weniger als mich. Sie war glücklich mit ihm. Er schien sie für vieles zu entschädigen, was sie verloren hatte, und paradoxerweise machte sie sich nun über die ungewisse Zukunft weniger Sorgen als früher. Jedenfalls war er ein kräftiger Junge, dem man schon einige Standfestigkeit zutrauen durfte. Ich unterdrückte daher meine Befürchtungen und verwandte meine ganze Arbeitskraft auf das Ackerland,

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