Die Trinity-Anomalie (German Edition)
den Schmerz hinunter, verbarg ihn vor seinem Onkel, bis sie wieder in New Orleans waren. In der ersten Nacht zu Hause, während Tim schlief, kletterte Daniel heimlich aus dem Fenster seines Zimmers und an der Regenrinne hinunter. Er lief zur nächsten katholischen Kirche, klopfte an die Tür und sagte, er sei ein Waisenkind, das nach einem Wunder suche.
Die Priester nahmen ihn bei sich auf. Sie riefen einen Arzt, der ihn untersuchte und für gesund erklärte, und in den darauffolgenden Tagen unterzogen sie ihn einer Reihe von Tests, um seinen Geisteszustand einschätzen zu können –
wissbegierig, zurückhaltend, seelisch verarmt
–, und prüften anschließend sein schulisches Wissen, woraufhin er eine Klasse überspringen durfte.
Nach ein paar Schulhofprügeleien war Daniels Position in der Hierarchie der Jungen festgelegt und er gewöhnte sich recht gut im Internat der Kirche ein. Aber die Priester waren besorgt wegen seiner »Aggressionsprobleme« und brachten ihm das Boxen nah. Sie sagten, es würde ihm helfen, seine Wut zu verarbeiten.
Daniels Laptop holte ihn mit einem
Ping!
aus seinen Gedanken zurück. Er langte übers Bett und zog den Computer zu sich herüber. Ein Chat-Fenster hatte sich auf dem Bildschirm geöffnet. Jemand versuchte, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Die Nachricht lautete:
Daniel Byrne
?
Er las den Benutzernamen im Chat-Fenster: PapaLegba. Er kannte niemanden, der dieses Pseudonym benutzte, aber er kannte seine Bedeutung. Papa Legba war in der Voodoo-Mythologie ein bedeutender Loa, Hüter der Wegkreuzungen, Vermittler zwischen unserer Welt und dem Jenseits, zwischen Lebenden und Toten. Ein Geschichtenerzähler … und manchmal ein Betrüger.
Daniel schrieb:
Daniel Byrne hier. Wer ist denn da?
Nach ein paar Sekunden schrieb der andere:
Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien.
Darauf Daniel:
Johannes 8,32. Wer sind Sie?
Du suchst die Wahrheit. Trinity ist der Weg. Wir können helfen.
Und Daniel:
Sie können helfen, indem Sie aufhören, sich hinter einem Benutzernamen zu verstecken. Wer sind Sie?
Trinity ist der Weg. Beschreite den Weg. Wir beobachten dich.
Das Chat-Fenster verschwand. PapaLegba hatte sich ausgeloggt.
16
Auf der Interstate 20 Richtung Osten,
in der Nähe von Thomson, Georgia
Tim Trinity beobachtete, wie die weißen Linien des Highways unter seinem Wagen verschwanden. Von dem Kokain war er immer noch ziemlich aufgekratzt. Er hasste das Zeug. Sicher, am Anfang fühlte er sich toll, die Stimmen gingen weg und die Zungen verstummten, aber anschließend war er immer irgendwie kribbelig. Er konnte ganz intensiv seine Haut spüren.
Ein unheimliches Gefühl. Dass es Leute gab, die diesen Mist zum Spaß nahmen, konnte er nicht begreifen.
Schlimmer noch, er fühlte sich schwach dadurch. Er wurde an so manche Leute erinnert, die er in den Schlangen seiner Suppenküche gesehen hatte, an von Armut und Drogensucht zerstörte Existenzen.
Trinity hatte den Geschwindigkeitsregler auf fünfundneunzig Stundenkilometer eingestellt. Es sind die Kleinigkeiten, die einem zum Verhängnis werden können – ein Strafzettel für zu schnelles Fahren zum Beispiel –, und er war zu klug, so etwas zu riskieren. Er blieb die ganze Zeit unter dem Tempolimit und hielt erst an, als er den Flughafen zehn Kilometer südwestlich von Columbia in South Carolina erreichte, wo er ein Auto mietete. Trinitys eigener Wagenwar ein metallicroter Cadillac Escalade SUV mit vergoldeten Zierleisten, massiven Felgen und einem Kennzeichen aus Georgia mit der Aufschrift TRINITY. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Auto zu wechseln.
Nun verließ er den Flughafen in einem unscheinbaren Wagen mit einem Nummernschild aus South Carolina. Er nahm die Platt Springs Road nach West Columbia und fuhr quer durch die Innenstadt, von den Einheimischen Triangle City genannt.
Seinem Kollegen Jimmy Swaggart hatte einst die Welt gehört, dachte Trinity, und dann hatte er angefangen, sich wie ein Vollidiot zu benehmen, hatte in der Nähe der Methadonambulanzen im Zentrum von New Orleans Straßenmädchen aufgegabelt und war mit ihnen zu den Nutten-Motels am Stadtrand rausgefahren. Am Ende war er meistens zu demselben Mädchen gegangen.
Er hatte es geradezu darauf angelegt, erwischt zu werden, und irgendwann ist es dann passiert.
Trotzdem, sein Geständnis war schon eine Glanzvorstellung: »Ich habe gesündigt gegen Dich und ich bitte Dich um Vergebung.« Jedenfalls hat es
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