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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Chercover
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sie neckend.
    Daniel zwang sich zu einem Lächeln und nahm noch einen Schluck Bier. »Heute, das war ganz sicher ein Wunder, Julia. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Ich glaube zwar nur ungern, dass Gott durch jemanden wie meinen Onkel wirkt, aber es ist nun mal so. Ich glaube nach wie vor an Gott, sicher. Nur habe ich langsam den Eindruck, dass meine Religion Ihn nicht richtig repräsentiert.«
    Eine Männerstimme sagte: »Großer Gott, Julia, da
bist
du ja.« Shooter kam auf sie zugeeilt. »Wir müssen wieder zurück an den Schauplatz. Zur vollen Stunde gehen wir auf Sendung.«

31
    Zurück in der Ruhe seines Hotelzimmers trank Daniel einen Cognac und ließ die Ereignisse des Tages Revue passieren. Seine Reaktionen darauf teilte er in zwei Kategorien ein: persönlich und professionell.
    Er nahm sich vor, die Sache zunächst einmal rein professionell zu betrachten. Die Wettervorhersagen und Football-Ergebnisse konnte er außer Acht lassen und sich auf die Ölraffinerie konzentrieren. Vielleicht dienten diese trivialen Voraussagen ohnehin nur dazu, Aufmerksamkeit zu erregen. Damit man die wirklich wichtigen Prophezeiungen auch ernst nahm.
    Hundert Menschenleben hätte man retten können, wenn die Kirche nur etwas unternommen hätte. Wären all diese Menschen gerettet worden, dann wäre eine weitere Überprüfung überflüssig. Dass sie sterben mussten, änderte aber im Grunde nichts, denn die Öffentlichkeit war jetzt gewarnt, und auf die nächste wichtige Prophezeiung würde man entsprechend reagieren.
    Aus professioneller Sicht war die Sache also klar. Trinity konnte unmöglich im Voraus von dem Vorfall mit der Werbetafel gewusst oder ihn selbst inszeniert haben. Deshalb stand für den Ermittler Daniel fest: Die Trinity-Anomalie war ein Wunder.
    Aus persönlicher Sicht war die Sache komplizierter.
    Zwanzig Jahre zuvor hatte sich der mächtige, wunderbare Zauberer als Bauernfänger entpuppt. Daniels ganzes Leben war zur Lüge geworden, und auf der Suche nach einem wahren Wunder war er davongerannt.
    Jetzt hatte er sein Wunder.
    Und ausgerechnet dieser Bauernfänger stand im Zentrum dieses Wunders, und genau damit hatte Daniel ein Problem. Aber viel wichtiger war doch, dass tatsächlich ein Wunder geschah. Das änderte alles. Wenn das Priesteramt eine Berufung zum Glauben war, dann war Daniels schändliches Geheimnis, dass er dieser Berufung nie ernsthaft gefolgt war.
Ohne Glauben gibt es keine Religion.
Und wenn wir von Gott fordern, Seine Existenz zu beweisen, dann gibt es keinen Glauben.
    Nein, das war falsch. Nicht seine Existenz. Daniel hatte kein Problem damit, an Gott zu glauben, den Schöpfer des Universums. Dieser Gott existierte für ihn. Er suchte nicht den Beweis für Gott, den Schöpfer, sondern für Gott, den Vater.
    Den Gott, der uns liebte und sich darum sorgte, wie wir miteinander und mit unserer Welt umgingen.
    Daniel hatte immer gewusst, dass er wegen seines schwachen Glaubens kein wirklich guter Priester sein konnte. Und obwohl er täglich dafür betete, dass sein Glaube gestärkt werde, wollte er in Wirklichkeit einfach nur ein verdammtes Wunder. Nur ein einziges Wunder als Beweis, dass Gott sich wirklich für die Angelegenheiten der Menschen interessierte.
    Und nun hatte er dieses Wunder.
    Daniel nahm sein Handy und wählte eine Nummer, die nur hundertzwanzig Personen auf der ganzen Welt kannten. Beim ersten Klingeln ging jemand dran.
    »Assistenz. Identifizieren Sie sich, bitte.«
    »Pater Daniel Byrne. Amt des Advocatus Diaboli, Freigabe-Code: UG-8806.«
    »Was liegt an?«
    »Ich brauche ein Flugzeug. Ab Atlanta. Das Ziel ist Rom und ich muss in …«, er blickte auf seine Uhr, »… zwei Stunden los.«
    »Ähm, das ist aber ganz schön knapp. Ich bin nicht sicher …«
    »Sorgen Sie einfach dafür, dass es klappt«, sagte Daniel. »Priorität eins.«
    »Ja, Sir. Sonst noch etwas?«
    »Ja, richten Sie dem Advocatus aus, dass ich komme und dass wir ein positives Ergebnis haben.«
    Er legte auf, rasierte sich, duschte und zog sich an. Er hatte die Tracht seit seinem letzten Besuch im Vatikan nicht mehr getragen, und als er seinen weißen Kragen richtete, schaute ihm aus dem Spiegel ein Priester entgegen. In den letzten Jahren hatte er sich immer mehr wie ein Hochstapler gefühlt, und die Tracht war ihm wie eine Verkleidung vorgekommen.
    Aber jetzt nicht mehr.
    Es war noch dunkel, als Daniel über den Asphalt zu dem weißen Privatjet mit dem goldenen Kreuz auf dem Leitwerk lief. Er stieg

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