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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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war es sinnlos, Tanyas Instruktionen zu befolgen.
    Natürlich kamen ihm immer wieder Zweifel. Am Strand von Icaria hatte es einen Augenblick gegeben, als Min aus dem kalten Wasser gekommen war und Gaddis ihren dünnen zitternden Körper in einem riesigen Badehandtuch in den Armen gehalten und dabei gedacht hatte, dass es auf der Welt nichts Wichtigeres gab als seine geliebte, kichernde Tochter. Die Zeit, die sie in der Zukunft miteinander verbringen würden, mochte sie noch so knapp bemessen sein, wäre unendlich viel wertvoller als jedes Buch über Edward Crane. Aber das Geld drängte sich überall dazwischen. Am selben Abend noch hatte er mit Natasha beim Abendessen gestritten, versucht ihr klarzumachen, dass die Luft bei ihm » immer dünner« werde, nur um von ihr zu hören, er habe » falsche Versprechungen« gemacht und verurteile » seine Tochter zu einer drittklassigen katalanischen Ausbildung«.
    Es war also, auf kurze Sicht, das Geld, das ihn zum Weitermachen zwang. Weil er kein guter Vater war, wenn er Min nicht unterstützte. Also hatte er sich eingeredet, dass es richtig war, was er tat, als er sein Mobiltelefon unter die Anrichte bei Natasha schob; er konnte das Buch schlicht und einfach nicht schreiben, solange der SIS ihm im Nacken saß. Ein paar Minuten davor hatte er Min ins Bett gebracht und ihr einen Abschiedskuss gegeben. Dann war er in die Küche gegangen, hatte dem nichtsnutzigen Nick die Hand gegeben, einen Kuss auf die ihm von Natasha dargebotene trockene Wange gehaucht und war nach draußen gegangen, um ein Taxi aufzuhalten.
    Das Timing entbehrte nicht einer ironischen Pointe. Wäre er eine Viertelstunde länger geblieben, hätte der eingehende Anruf von » Josephine Warner« aus London ihn noch erreicht. Aber so musste Tanya ihm eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen:
    Sam, ich bin’s. Etwas macht mir Sorge. Ich weiß nicht, ob Sie noch in Barcelona oder schon wieder zu Hause sind, was bedeuten würde, dass mein Anruf überflüssig ist. Aber ein Freund, der mich auf dem Laufenden hält, berichtet von ungewöhnlich viel Gerede aus unseren russischen Quellen. Gerede über Dominic Ulvert.
    Und noch etwas: Der FSB weiß, dass es einen weiteren Schützen in Berlin gab. Sie haben Doronin vernommen. Er wird denen ganz sicher eine Beschreibung von Ihnen geliefert haben. Wie Sie wissen, bin ich von dem Fall abgezogen worden, doch die Informationen stammen aus verlässlicher Quelle. Also passen Sie auf sich auf. Fliegen Sie nicht nach Wien. Kommen Sie nach Hause.
    Eine bewegende Nachricht, so offen wie gefährlich für ihre Karriere. Aber es gab noch eine Neuigkeit, von der nicht einmal Tanya Acocella etwas wusste.
    Am selben Nachmittag war ein hochrangiger russischer Diplomat mit vermuteten Verbindungen zum FSB in aller Ruhe durch den Wiener Internationalen Flughafen geschlendert, in Begleitung eines gewissen Karl Stieleke, der dem MI 5 als Kollege Nicolai Doronins bekannt war. Der Name des Diplomaten war im System aufgeblitzt, als er den Behörden seine Akkreditierung vorlegte. Alexander Grek war in Österreich.

39
    Am Freitagabend, dem 24. Oktober, kurz nach acht, fuhr Gaddis’ Zug im Wiener Westbahnhof ein, und gegen neun stand er vor dem Empfangstresen des Hotels Goldene Spinne in der Linken Bahngasse, eines Zweisternehotels in der Innenstadt. Ein gut gelaunter Rezeptionist mittleren Alters begrüßte ihn. Gaddis wurde unter seinem richtigen Namen registriert und musste seinen Reisepass vorlegen, aber zu seiner Erleichterung trug der Mann seine persönlichen Daten per Hand ein, statt sie auf einem Computer zu speichern.
    Das Hotel hatte er ausgesucht, weil es zweckmäßig, preiswert und anonym war. Das spartanische Zimmer auf der obersten Etage ähnelte der Tageskabine auf einer Kanalfähre: Gestärkte weiße Laken spannten sich über ein schmales Bett mit harter Matratze. Des Weiteren standen ihm ein kleines gekacheltes Bad mit Waschbecken und Dusche, ein Wasserkocher, Teebeutel und Pulverkaffee zur Verfügung, und er durfte sich mit dem Ausblick auf einen mit Spinnweben dekorierten Luftschacht zufriedengeben.
    Er reiste mit leichtem Gepäck, hatte aber für die Hochzeit einen Anzug und ein Paar Halbschuhe in seine Reisetasche gepackt. Er nahm den Anzug heraus, bestellte am Empfang ein Bügeleisen und hängte ihn auf einem Kleiderbügel an die Tür. Dann duschte er und rasierte sich – eine Wohltat nach der stickigen Enge der Reise –, zog ein frisches Hemd an und suchte sich zwei

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