Die Trinity Verschwörung
Straßen weiter ein Restaurant, in dem er eine Pizza mit Salami verschlang und eine Halbliterkaraffe Rotwein trank. Es war elf, als er bezahlt hatte und sich auf den Weg zum Radisson machte.
Gaddis wusste, wie das mit Hochzeiten im Ausland funktionierte. In der Regel machten die Leute in England gegen Freitagmittag Schluss mit der Arbeit, düsten am späten Nachmittag mit einem Billigflieger in das Gastland, trafen in einem der Restaurants, die im Anhang zur Einladung von den Brautleuten empfohlen worden waren, unweigerlich auf ein paar alte Freunde aus der Schul- oder Studentenzeit, schauten noch in ein paar Kneipen rein, bevor sie in ihr Hotel zurückkehrten, um in der Bar bis in die frühen Morgenstunden weiterzutrinken. Als Gaddis unter gusseisernen Straßenlaternen und EU -Flaggen durch die automatischen Türen des Radisson trat, hörte er aus einem Raum neben der Eingangshalle die herzhaft grölenden Salven englischen Gelächters. Jemand rief: » Gus! Gus! Willst du da Eis reinhaben?«, und in der Ferne klimperte ein Klavier.
Die Bar war kleiner, als Gaddis gedacht hatte. Vielleicht zwanzig Gäste saßen an einem halben Dutzend im Raum verteilter Holztische, weitere zwanzig, bewaffnet mit großen Biergläsern, Weingläsern, Cognacschwenkern oder Whiskygläsern, okkupierten die Zwischenräume. An den Wänden hingen die Fotos von berühmten Gästen, die in dem Hotel abgestiegen waren: Gaddis entdeckte signierte Konterfeis von Bonnie Tyler, Sylvio Berlusconi und dem farbigen Darsteller aus der Serie Miami Vice, der entweder Crockett oder Tubbs spielte, das hatte er sich nie merken können. Ein Brite, gut in den Dreißigern, der an der Bar seinen Zimmerschlüssel zum Zwecke des Bezahlens schwenkte, erkannte Gaddis als Landsmann und fing ein Gespräch an.
» Einer von uns?«, fragte er. » Hochzeit?«
» Einer von euch«, antwortete Gaddis. » Eben erst eingecheckt.«
» Phil«, sagte der Brite und bot Gaddis die Hand zu einem feuchten, aber kräftigen Händedruck. » Freund von Catherine?«
» Matthias. Haben Sie ihn heute Abend schon gesehen?«
Das war eine der größten Schwachstellen seiner Strategie; wenn Catherine oder Matthias auftauchten, musste Gaddis in die Goldene Spinne zurückkehren und sich einen anderen Zugang zur Hochzeitsfeier ausdenken. Zum Glück nahm ihm Phil die Sorge. » Nee. Großes Familienspachteln drüben im Sacher. Von dem kriegen wir heute nichts zu sehen. Seine Leute bleiben da drüben.«
» Catherines Familie auch?« Er versuchte zu eruieren, ob sich eventuell eine Möglichkeit ergab, Wilkinson über den Weg zu laufen.
» Soviel ich weiß, ja. Was wollen Sie trinken, Chef?«
Augenblicke später hatte Gaddis einen Schwenker mit Cognac für achtzehn Euro in der Hand und wurde zu einem Tisch geführt, der besetzt war von Phils Frau Annie, seinem » ältesten Freund« Dan, zwei Frauen auf einem schmalen Polstersofa, deren Namen er nicht genau verstanden hatte, und einem rosaroten Plüschelefanten, der den Rüssel in die Tischlampe steckte.
» Den hat meine Holde im Prater gewonnen!«, rief Phil. » Schon davon gehört? Ein gigantischer Rummelplatz.«
Gaddis hatte schon vom Prater gehört. » Glückwunsch«, sagte er lächelnd. Annie sah aus wie eine Hausfrau, die zum ersten Mal seit fünf Jahren ihren drei kleinen Kindern entkommen war; sie hatte etwas leicht Abwesendes und trug die Ringe schlafloser Nächte unter den Augen. » Wurfbude?«, fragte er. » Tombola?«
» Schießbude«, sagte sie, nahm ein imaginäres Gewehr von der Schulter, legte es auf Phil an, und Gaddis wusste, dass er an die Richtigen geraten war; ein angesoffener, lockerer Haufen. Von denen erfuhr er, wo die Trauung stattfand, wann der Gottesdienst begann und womöglich noch, wie viele Zuckerwürfel Catherine Wilkinson in den Tee tat.
» Sam ist ein alter Freund von Matthias«, verkündete Phil, legte Gaddis eine Hand auf den Rücken und schob ihn auf einen nicht vorhandenen freien Platz neben den beiden Frauen zu.
» Tatsächlich?«, sagte eine der beiden und rückte ein Stück Richtung Sofamitte. » Erzählen Sie. Wie ist er? Keiner von uns kennt ihn.«
» Ich kenne ihn«, sagte Annie leise. » Er ist reizend.«
Dank Googles Zauberkräften hatte Gaddis sich über Matthias Drechsel informieren können. Catherines Bräutigam war sechsunddreißig, verdiente sein Geld im Transportgeschäft (speziell mit dem » Chartern von Gastankern«) und hatte, so war in seinem Online-Profil nachzulesen gewesen, an der
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