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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Cumming
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Hirn traute er nicht mehr zu, morgen früh noch eine exakte Rekapitulation des Gesprächs zu liefern.
    Draußen öffnete sich eine Tür, die beiden Männer verließen die Herrentoilette. Gaddis hörte dumpfes Stampfen von Rockmusik aus dem Café, gedämpftes Gemurmel vor der Tür. Er konnte kein Steno, aber rasend schnell in seiner eigenen Kurzschrift schreiben, die er über die Jahre perfektioniert hatte: Worte, Wortteile und codierte Abkürzungen, die nur für ihn einen Sinn ergaben, bedeckten die Seiten seines Notizblocks.
    Die Tür öffnete sich wieder. Zwei Männer betraten den Raum und unterhielten sich auf Deutsch. Gaddis blieben noch maximal zwei, drei Minuten für seine Notizen, wenn er nicht Gefahr laufen wollte, dass Wilkinson unruhig wurde und sich fragte, wo er so lange blieb. Er schrieb die Einzelheiten von Platows Verrat an Crane nieder, klappte den Block zu und stand auf.
    In diesem Augenblick betrat Karl Stieleke das Café durch den Seiteneingang, zog in einer fließenden Bewegung eine Beretta Px4 Storm heraus und schoss aus dem schallgedämpften Lauf zwei Kugeln in den Kopf von Robert Wilkinson, die einen Batzen Gehirnmasse von der Größe einer Männerhand gegen die Wand hinter ihm klatschen ließen. Stieleke, keine zwei Schritte vom Seiteneingang entfernt, musste sich nicht davon überzeugen, dass Wilkinson tot war – er wusste es. Stattdessen drehte er sich um und rempelte sich zwischen zwei fassungslosen Gästen hindurch zur Tür, bevor jemand reagieren konnte. Er sprintete in nordöstlicher Richtung zu einem wartenden Fahrzeug, saß zwanzig Sekunden später auf dem Beifahrersitz eines Saab Geländewagens, den Alexander Grek durch die Singerstraße auf siebzig Stundenkilometer beschleunigte.
    Gaddis schob gerade den Kugelschreiber in die Innentasche seines Jacketts, als er den Tumult draußen hörte. Zuerst klang es nach einem Fehler in der Musikanlage, als würde eine verkratzte CD planlos von einer Stelle an die andere springen, aber dann rief eine Frau » Hilfe!«, und der Tonfall beunruhigte ihn. Er riss die Tür auf und kam aus der Toilette in ein Szenario heller Panik, als wäre das Café in eine andere Dimension gekippt. Die Musik hatte ganz aufgehört, und sämtliche Gäste aus dem hinteren Teil des Lokals drängten Richtung Ausgang. Sie stießen sich, stolperten, riefen und fluchten wild durcheinander. Zuerst vermutete Gaddis eine Schlägerei, aber eigentlich war dieser Teil Wiens zu geordnet und gutbürgerlich für Wirtshauskeilereien betrunkener Gäste. Er versuchte sich gegen den Strom zu Wilkinson durchzukämpfen, aber der Druck der Masse hob ihn fast von den Füßen und trug ihn die kurze Treppe hinauf dem Haupteingang entgegen. Erst jetzt, im ersten begriffsstutzigen Versuch, dem Chaos um ihn herum einen Sinn zu geben, begann Gaddis sich Sorgen um Wilkinson zu machen. Auf Englisch sagte er zu einer Frau, die sich auf seiner Schulter abstützte: » Was ist denn passiert?«, aber sie schien ihn nicht zu hören, so schockiert war sie von dem, was sie gesehen hatte und was fünfzig oder sechzig Leute um zwei Uhr morgens aus dem Kleinen Café hinaus auf einen verlassenen Wiener Platz trieb.
    Draußen hörte Gaddis klar und deutlich das Wort » Kanone«, auf Englisch ausgesprochen von einem Amerikaner, dessen Gesicht er nicht sehen konnte. Er schnappte andere verzerrte Gesprächsfetzen auf, die sich zu einem entsetzlichen Bild dessen, was passiert war, zusammensetzten: Ein Mann war aus kürzester Distanz erschossen worden. Ein älterer Mann. Keiner hatte den Schützen gesehen, keiner den Schuss gehört.
    Gaddis drehte sich um, wollte gegen den Strom der Entgeisterten zu Wilkinson gelangen, aber in dem schmalen Durchgang drängten sich ihm zu viele Menschen entgegen. Er erkannte eine Frau, die ganz in der Nähe seines Tisches im hinteren Teil des Lokals gestanden hatte. Der Schock hatte sie die Zigarette vergessen lassen, die sie in der Hand hielt.
    » Was ist passiert?«, fragte er sie. Keine Antwort. Er sagte auf Deutsch: » Problem?« Diesmal reagierte sie.
    » Jemand ist erschossen worden«, sagte sie auf Englisch. » Mehr weiß ich nicht.« Sie ergriff seinen Arm, als wäre Gaddis ein alter Freund, an dem sie Halt suchte.
    » Ein Gast?«, fragte er.
    » Ja.«
    Es konnte sich nur um Wilkinson handeln. Gaddis spürte einen dumpfen Druck der Angst. Er meinte plötzlich, neben sich zu stehen. Dieselbe Fassungslosigkeit überkam ihn wie in der Wohnung in Berlin. Er versuchte, den Kopf

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