Die Trinity Verschwörung
Gaddis auch warum: Das Sacher war drei Straßen weiter. Er hätte es in weniger als fünf Minuten zu Fuß erreichen können.
» Mein Fehler, tut mir leid«, sagte er, obwohl nichts dafür sprach, dass der Fahrer Englisch verstand. » Ich meinte nicht das Sacher. Können Sie mich zum Südbahnhof bringen?«
Jetzt drehte sich der Fahrer – ein Mann mittleren Alters, der sich am Ende einer langen Schicht nicht von einem englischen Touristen herumschicken lassen wollte – auf seinem Sitz um. » Südbahnhof?«, fragte er, als hätte Gaddis ihn gebeten, ihn zum Mars zu bringen. » Keine Züge jetzt.«
» Ich bin dort verabredet«, erwiderte Gaddis, und nach ein paar Augenblicken seufzte der Fahrer, legte den ersten Gang ein, lenkte den Wagen auf die Fahrbahn und surrte durch ein paar grüne Ampeln auf den südlichen Teil der Stadt zu. Sie sprachen nicht mehr miteinander. Ein paar Minuten später entdeckte Gaddis eine Telefonzelle am Straßenrand und bat ihn anzuhalten.
» Halt, bitte.«
» Hier nix Bahnhof«, murmelte der Fahrer.
Gaddis bezahlte den Mann, reichte einen Zehn-Euro-Schein durch das Fenster, ohne auf Wechselgeld zu warten. Das Schmutzwasser einer Pfütze auf dem Gehsteig spritzte ihm an die Schuhe, als er auf die Telefonzelle zuging. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Das Telefon klebte voller Zettel, die Zelle war überall von Münzen und Messern verkratzt. Er wählte Tanyas Handynummer.
» Sam?«
» Ich bin in einer Telefonzelle.«
» Hören Sie mir jetzt ganz genau zu. Wir haben nicht viel Zeit. Wenn Ihre Nummer angezapft war, ist es meine jetzt auch. Sie sind dort nicht sicher. Wir holen Sie raus aus Österreich. Exfiltration. Wenn sie hinter Wilkinson her waren, sind sie auch hinter Ihnen her.«
Gaddis war fassungslos, antwortete nicht, Tanya missverstand sein Schweigen als Skepsis.
» Überlegen Sie. Die Polizei bekommt garantiert eine gute Beschreibung der Leute, die an dem Abend mit Wilkinson zusammen waren. Man wird nach Ihnen fahnden. In Ihr Hotel können Sie nicht zurück. Das wäre Selbstmord. Sie können sich kein Auto mieten. Sie dürfen sich auf keinem Bahnhof und keinem Flughafen blicken lassen. Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist Sam Gaddis im Gewahrsam der österreichischen Polizei.«
Er fragte sich, warum Tanya auf einmal in der dritten Person von ihm sprach. Machen das Agenten immer so? Sie verwandeln einen in etwas Abstraktes, in einen › Auftrag‹, um sich selber davon zu überzeugen, dass sie es nicht mit einem menschlichen Wesen zu tun haben.
» Glauben Sie mir«, sagte er, » das Letzte, was Sam Gaddis jetzt gebrauchen kann, ist von der österreichischen Polizei in Gewahrsam genommen zu werden.«
» Gut. Dann hören Sie zu. Haben Sie Ihr altes Mobiltelefon noch?«
» Nein. Das habe ich in Barcelona gelassen. Und alles andere liegt noch im Hotel.«
» Gehen Sie auf gar keinen Fall dorthin zurück.« Er verstand die Logik in dieser Anweisung, doch der dickköpfige Teil seiner Persönlichkeit war davon überzeugt, dass er noch Zeit hatte, ins Hotel zurückzufahren, seine Sachen zu holen und Wien zu verlassen. » Dort wartet sicher schon jemand auf Sie. Haben Sie Ihren Pass bei sich?«
» Tanya, das ist alles in meinem Hotelzimmer. Ich bin heute Abend mit einem Notizbuch, einem Kugelschreiber und einem Päckchen Zigaretten losgegangen. Nein, ich habe meinen Pass nicht bei mir, nicht einmal meine Brieftasche. Ich habe etwa achtzig Euro in bar und eine U-Bahn-Karte. Sonst nichts.«
Enttäuschtes Schweigen. » Egal«, antwortete sie schließlich. » Ich muss aus dieser Verbindung raus. Wir müssen Schluss machen. Verschwinden Sie von dort, wo Sie gerade sind, und suchen Sie sich einen sicheren Ort. Tauchen Sie ab. Am besten in einer Bar oder einem Nachtclub. Gehen Sie irgendwo hin, wo Sie bis sechs Uhr früh bleiben können.«
» Und was passiert um sechs Uhr früh?«
» Dann schalten Sie Ihr Mobiltelefon genau so lange ein, wie ich brauche, um Ihnen Instruktionen für Ihre Exfiltration zu geben. Sie müssen mir vertrauen, Sam. Gehen Sie nicht zurück in Ihr Hotel. Wir können veranlassen, dass Ihre Sachen abgeholt werden. Gehen Sie in einen anderen Teil der Stadt. Tauchen Sie für drei Stunden ab. Um sechs Uhr bekommen Sie die Instruktionen. Sobald Sie sie erhalten haben, schalten Sie Ihr Telefon wieder aus und tun genau das, was ich Ihnen gesagt habe. Verstanden?«
Er war überrascht und geschmeichelt zugleich von ihrer Bereitschaft, ihm zu helfen.
»
Weitere Kostenlose Bücher