Die Trinity Verschwörung
vorstellen, auf den das besser zutrifft als auf Charlotte Berg. Immer noch holt der Tod sich die Besten von uns zuerst.«
Paul legte Gaddis die Hand auf die Schulter.
» Damit hast du absolut recht gehabt. Ich möchte dir sagen, dass du mir mit deinen Worten sehr geholfen hast.«
» Das macht mich froh.«
» Ich habe auch darüber nachgedacht, was du in ihrem Büro gemacht hast. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie das für Charlotte gewesen wäre.« Gaddis wollte etwas erwidern, aber Paul ließ ihn nicht. » Ich glaube, sie hätte es genauso gemacht. Oder zumindest hätte sie verstanden, warum du dort warst. Du bist in ihr Büro gegangen, um zu erfahren, wo sie an dem Vormittag war, um ihr nah zu sein, wie du es ausgedrückt hast. Edward Crane ist dir wieder eingefallen, und der Gedanke, einen Blick auf ihre Recherchen zu werfen, ging dir nicht mehr aus dem Kopf. Ein langer Tag lag hinter dir. Du warst müde.«
» Ich habe geschnüffelt«, räumte Gaddis unverblümt ein. Es rührte ihn, dass Paul nach einem Weg suchte, ihm zu verzeihen, aber er wollte sich selbst nicht vom Haken lassen. » Ich habe mich von dem Cambridge-Buch verabschiedet. Ich wusste, dass es damit vorbei ist, und habe mich selbst bedauert.«
» Was soll das heißen, dass es damit vorbei ist? Warum?«
Die Antwort auf diese Frage erschien so offensichtlich, dass Gaddis sie der Mühe nicht wert fand. Paul ging zum Ofen, um nach der Lasagne zu sehen. Er wirkte lockerer als noch vor zwei Tagen; er war in seine Privatheit zurückgekehrt. Ihm war der Luxus gewährt geworden, mit sich und seiner Trauer allein bleiben zu dürfen. Als er sich wieder umdrehte, sagte er: » Warum machst du nicht weiter? Arbeite dich in Charlottes Recherchen ein und sieh zu, wie du ein Buch daraus machst.«
Gaddis fiel keine Antwort darauf ein. Paul bemerkte seine Verwirrung und versuchte, ihn zu überzeugen.
» Ich will nicht, dass ihre Mühe jetzt im Sande verläuft. Sie war damit einverstanden, das Buch mit dir zusammen zu schreiben. Sie würde sich wünschen, dass du damit weitermachst.«
» Paul, ich bin kein Enthüllungsjournalist. Ich bin ein Mann der Archive.«
» Wo ist der Unterschied? Du befragst Menschen, oder? Du verstehst es, einer Spur von A nach B zu folgen. Du weißt dich eines Telefons, des Internets, öffentlicher Bibliotheken zu bedienen. Was sollte so schwer daran sein?«
Gaddis zog ein Päckchen Zigaretten aus seiner Tasche. Es war nur ein Reflex – sofort steckte er es wieder weg. Er wollte jede Taktlosigkeit vermeiden.
» Nur zu, zünd dir eine an.«
» Nicht nötig. Ich will’s eh bleiben lassen.«
» Damit du es weißt«, – Paul stellte den Backofen aus und nahm die Form heraus –, » ich akzeptiere kein Nein. An deinem nächsten freien Nachmittag kommst du her. Du liest dir Charlottes Recherchen durch und siehst, was du daraus machen kannst. Wenn du das Gefühl hast, sie war einer Sache auf der Spur, wenn du meinst, diesen Cambridge-Spion finden zu können, dann schreibst du das Buch und setzt Charlottes Namen neben deinen.« Er machte eine für ihn untypische theatralische Handbewegung. » Sie haben meinen Segen, Doktor. Ans Werk.«
7
Es wurde schnell deutlich, dass es bei Gaddis keiner großen Überredungskunst mehr bedurfte. Sein Steuerberater hatte ihm in einem Brief den ausstehenden Steuerbescheid angekündigt. Und am Wochenende rief Natasha an und teilte ihm ihre Befürchtung mit, Min ganz von der Schule nehmen zu müssen, sollte das Schulgeld nicht bis Weihnachten überwiesen sein. Um so bald wie möglich einen Vorschuss loszueisen, musste er sich an die Arbeit machen und Paterson ein Exposé für das Cambridge-Buch vorlegen.
Paul hatte in einem Zeitschriftenladen in Hampstead einen Schlüsselbund hinterlegt. Am Montagmorgen schloss Gaddis die Haustür auf. Er machte sich in der Küche einen Becher Kaffee, fand Charlottes Laptop, ging hinaus in den Schuppen und schloss die Tür hinter sich. Spinnweben zierten die Decke, es schien sogar noch ein Hauch von Charlottes Parfüm in der Luft zu liegen, eine verstörende Empfindung. Eine Kugelschreiberlinie zog sich an einer Wand herab, und an ein fleckiges Korkbrett, das aussah wie nach einem Großangriff von Holzwürmern, waren Zeitungsausschnitte und Postkarten gepinnt.
Als er sich setzte, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, überkam ihn plötzlich das Gefühl, etwas Unbefugtes zu tun, und er dachte daran, einfach aufzustehen und die ganze Sache bleiben zu lassen.
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